Freitag, 31. Januar 2014

Aufgeschnappt (bei einem Russen)

Der Staat ist eine Verschwörung, die nicht nur dazu bestimmt ist, die Bürger auszubeuten, sondern auch zu verderben.
Lew Nikolajewitsch Tolstoj

Samstag, 25. Januar 2014

Richtigstellung (in eigener Sache)

Wehret den Anfängen, heißt es immer. Wenn’s aber einer tut und sich beispielsweise gegen die Gedankenlosigkeit und sprachliche Verschluderung ausspricht, schimpft man ihn einen Pedanten. Ich bin aber kein Pedant, ich bin ein Querulant. Das ist schlimmer. Ich sorge mich nicht so sehr um Details, sondern nehme im Kleinen wie im Großen Typisches und Symptomatisches wahr, bin dagegen und sage das auch.
Damit macht man sich nicht beliebt und fällt den Leuten lästig. Wo sie gegen das Richtige sonst kein Argument haben, nennen sie es lebensfremd, unpraktisch oder übertrieben spitzfindig.
Damit muss ich leben. Wenn Dummheit weh täte, sagt man, müssten manche Menschen schreien. Ich werde oft laut. Mich quält dabei, das gebe ich zu, die Dummheit anderer vermutlich mehr als meine eigene. Ich sehe den Splitter im Auge meines Bruders deutlicher als den Balken in meinem eigenen Auge.
Aber ich kann nicht anders, als mich gegen das zur Wehr zu setzen, was mich quält. Und Dummheit, wessen auch immer, quält mich. Quält mich, ärgert mich, raubt mir den Verstand.
Ach, die Welt ist schlecht! In vielerlei Hinsicht. Gegen das meiste kann ich nichts tun. Gegen manches schon. Dass die Leute nicht mitbekommen, dass das, was sie sagen, nicht das ist, was sie eigentlich sagen wollen — bis sie dann das, was sie sagen, leider auch meinen —, dagegen muss man doch etwas tun. Es ihnen wenigstens sagen. Damit sie umkehren können und fortan nicht mehr sündigen. Das ist doch das mindeste, was man tun kann.
Damit macht man sich, wie gesagt, nicht beliebt und fällt den Leuten lästig. Sie heißen einen dann einen Pedanten. Dabei ist man bloß ein verkannter Aufklärer. Einer, der es gut mit ihnen meint. Und was ist der Dank? Es gibt keinen. Die Welt ist schlecht und will es bleiben. Also werde ich weiter querulieren müssen, bis ich nicht mehr von dieser Welt bin.

Montag, 6. Januar 2014

Gehirnfasching

Vom Rest des Umzugs von gestelzten Phrasen und aufgeblähtem Unverstand habe ich nichts mehr mit bekommen. Das ganze närrische Treiben ging mich schon vorher nichts an, aber als ich diese Wendung las, versank der ganze Faschingsspuk endgültig im Konfettiregen: „aus der Binnensicht, aus der lokalen Perspektive des Gehirns“ … Wie denkt sich einer das, dass er, der Sehende, sieht, wie das Hirn sieht, und zwar nicht nur, was er wohl ohnehin kaum sähe, von außen, sondern von innen, sodass er sähe, wie und was das Hirn sieht?
Ein Höhepunkt des Zerebralismus! Für gewöhnlich werfen die Hirnfetischisten ja nur mit der ollen Kamelle um sich, dass sie nicht nur denken, dass sie mit dem Hirn denken, sondern dass sie denken, dass das Hirn denkt. Hier aber will einer gar das Hirn sehen lassen. Und damit nicht genug, er meint womöglich, sagen zu können, was das Hirn sieht, wie also etwas aussieht, wenn das Hirn es sieht: Perspektive des Gehirns. Darauf einen Tusch!
Soll man fragen, womit der Herr Hirnbesitzer für gewöhnlich sieht? Mit den Augen, dem Herzen, dem Knie? Und ob er meint, dass, falls sein Sinnesorgan für Lichtwahrnehmung die Augen sind, dass diese seine Augen etwas sähen, was er nicht sähe? Dass sie, anders gesagt eine Perspektive hätten, die er, unterschieden von seiner eigenen, einnehmen könne oder nicht? Soll man ihn weiters fragen ob er, der doch sicher das Hirn fürs Kontrollzentrum hält, dem die Augen unterstellt sind, nicht bereit wäre zu sagen, dass er das, was er sieht, im Hirn sieht? (Als ob — wird man, um des Argumentes willen, nicht hinzufügen — das Hirn ein Lichtspieltheater wäre, in dem bewegte Bilder vorgeführt würden.) Dann kann man ihn des weiteren fragen, ob er, der dieser Vorstellung von Bildern im Kopf, näherhin: im Hirn, anhängt, ob er, der Sehende, denn meint, dass sein Hirn, wenn er etwas sieht, auch etwas sieht und ob es vielleicht sogar etwas sehen kann, was er nicht sieht? Ob somit die Rede von der Sichtweise des Gehirns nicht eher ein Gedankenfurz ist, weil die Zerebralperspektive ohnedies notwendigerweise mit der dessen, der sieht, zusammenfällt?
Welch lustige Idee, es gäbe aus der Sicht des Gehirns etwas zu sehen, was der, dessen Schädel das Ding bewohnt, nicht sieht! Was sich dabei dann alles abspielen mag! Vielleicht sieht das Hirn nicht nur, es hört und riecht und schmeckt auch, es spürt womöglich gar, ja es bewegt sich und spaziert herum, ohne dass der Gliedermann, der am Hirn hängt, sich rührt und etwas davon merkt. Das Hirn als Paralleluniversum seiner selbst, das ist doch mal was. Und warum dabei stehen bleiben? Vielleicht denkt das Hirn etwas, von dem nicht nur sein Träger, sondern es selbst nichts weiß? Ein ungeahntes Gespenst mag in des Menschen Zentralnervensystem herumklabautern und dort seine Kobolzen schießen, dass nur so seine Art hat. Und wer sagt, dass dieser Hirngeist nicht wieder seinen eigenen Spuk hat, der hinter seinem Rücken durch Mark und Bein geht?
Ein zweites Gesicht ist nichts gegen diese karnevaleske Multiplikation: ein Mensch denkt, dass sein Hirn denkt, dass sein Geist denkt, dass usw. usf. Aber nach dem Narrentreiben kommt zum Glück der Aschermittwoch, man wird wieder nüchtern und die Zeit des groben Unfugs ist, für diesmal wenigstens, wieder vorbei. Nur die echten Deppen bleiben, was sie immer waren.

Samstag, 4. Januar 2014

Aufgeschnappt (bei einem Ex-Sträfling)

Der Marxismus ist nicht nur nicht exakt, nicht nur keine Wissenschaft, er hat kein einziges Ereignis in Zahlen, Quantitäten, zeitlichen oder örtlichen Definitionen vorausgesagt. Nur mit der Habgier der einen und der Blindheit der anderen und dem Bedürfnis der dritten, zu glauben, kann man jenen Zynismus der zwanzigsten Jahrhunderts erklären: daß eine derartig belastete Lehre nach solchen Mißerfolgen im Westen noch so viele Anhänger hat! Bei uns [in der Sowjetunion 1973] sind es die wenigsten geblieben!
Aleksandr Isajewitsch Solschenizyn