Oft verstehe ich ja die Aufregung nicht, die über irgendetwas in der medialen Öffentlichkeit herrscht, diesmal aber ist mir im Gegenteil die allgemeine Abwieglerei unverständlich. Gewiss, was wegen eines unlängst veröffentlichten Buches zweier Springerschreiberlinge über Angela Merkels Jugend in der DDR erzählt wird, taugt nicht zum Skandal. Sofern man unter einem solchen etwas Sensationelles versteht, etwas Besonders, etwas, das nicht sein sollte, dessen Trotzdemsein aber ungewöhnlich und interessant ist. Nein, zu einem Skandal in diesem Sinne bieten Merkels frühe Jahre keinen Stoff.
Sie war wohl eher angepasst, unauffällig, unpolitisch. Jemand, der mitmachte, so weit es nötig war, aber auch nicht mehr. Jemand, der innerhalb des Systems nach dessen Regeln funktionierte. Und genau dieser Konformismus ist der eigentliche Skandal! Über den sich (außer mir) niemand aufregt, weil die Leute ahnen und hoffen, dass sie sich in ähnlicher Situation genauso verhalten hätten. Ohne Überzeugung, ohne Kritik, ohne Widerstand brav sein und nicht mehr als das gerade Nötige tun.
Genau solche Leute braucht jedes politische System. Konformisten sind die unverzichtbare Basis jeder stabilen Herrschaft. Gewiss, autoritäre und totalitäre Regimes verlangen ausdrücklich Zustimmung und sichtbares Engagement, aber nur in den heißen Phasen wird Übertriebenes verlangt, für gewöhnlich genügen Lippenbekenntnisse und Formalien. Der Alltag im „real existierenden Sozialismus“ war so banal und unpolitisch wie der im Westen auch. Die Hunderfünfzigprozentigen, die ja im Grunde bloß Überangepasste waren, mochten lästig sein und als Vertreter der Macht erscheinen, im Grunde waren sie weniger systemrelevant als die Stillen und Lauen. Als die DDR 1989 zerbröselte, geschah das ja nicht, weil es keine Funktionäre oder Aktivisten mehr gab, sondern weil die, die immer still gehalten hatten, plötzlich nicht mehr wollten. (Und am Ende des Zweiten Weltkriegs, anderes Beispiel, hatte Hitler noch Feldmarschälle, Generäle und Gruppenführer in rauen Mengen, woran es fehlte, war das „Menschenmaterial“, die Truppen, die man verheizen konnte.)
Es geht nicht darum, den ehemaligen Insassen der DDR ihre „Biographien“ vorzuhalten und ihnen rückwirkend mehr abzuverlangen, als man von Bewohnern westlicher Gefilde erwarten durfte. Es geht um dieselben Maßstäbe: Hast du dazu beigetragen, dass das System funktionierte, oder nicht? Dass das System „drüben“ seinen alltäglichen Herrschaftanspruch klarer formulierte und erkennbarer durchzusetzen bemüht war als der „freie Westen“, machte Dissidenz dort gewiss einfacher und gefährlicher, aber die ethischen Kriterien bleiben davon unberührt. Hüben wie drüben gilt, dass Überzeugungen, auch falsche, mitunter als Entschuldigungen taugen, dass aber bloßes Mitmachen und Nichtanecken das Schlimmste ist, was man getan haben kann.
Wäre Merkel überzeugte DDR-Sozialistin gewesen und in diesem Sinne aktiv, würde ich ihr das heute nicht ankreiden. Viel schlimmer finde ich, dass sie dumpf und angepasst war wie die überwältigende Mehrheit ihrer Landsleute — und dass sie dadurch das Ganze am Laufen hielt.
Freilich, ein solcher Vorwurf kann in einer Öffentlichkeit kaum formuliert werden, in der, wer Überzeugungen hat, als Störenfried gilt, in der man wegen Visionen zum Arzt geschickt wird und in der „Extremismus“ und „Radikalismus“ Schimpfwörter sind. In der also Mittelmaß und Angepasstheit Ideale sind, in der das Halbgare, Lauwarme und Flüchtige kurzfristig im Mittelpunkt steht und rasch durch Ebensolches ersetzt wird.
Jung-Angela führte ein ganz normales Leben. Mutti macht ganz normale Politik. Darin besteht, sieht das denn keiner?, der eigentlich Skandal!
Sie war wohl eher angepasst, unauffällig, unpolitisch. Jemand, der mitmachte, so weit es nötig war, aber auch nicht mehr. Jemand, der innerhalb des Systems nach dessen Regeln funktionierte. Und genau dieser Konformismus ist der eigentliche Skandal! Über den sich (außer mir) niemand aufregt, weil die Leute ahnen und hoffen, dass sie sich in ähnlicher Situation genauso verhalten hätten. Ohne Überzeugung, ohne Kritik, ohne Widerstand brav sein und nicht mehr als das gerade Nötige tun.
Genau solche Leute braucht jedes politische System. Konformisten sind die unverzichtbare Basis jeder stabilen Herrschaft. Gewiss, autoritäre und totalitäre Regimes verlangen ausdrücklich Zustimmung und sichtbares Engagement, aber nur in den heißen Phasen wird Übertriebenes verlangt, für gewöhnlich genügen Lippenbekenntnisse und Formalien. Der Alltag im „real existierenden Sozialismus“ war so banal und unpolitisch wie der im Westen auch. Die Hunderfünfzigprozentigen, die ja im Grunde bloß Überangepasste waren, mochten lästig sein und als Vertreter der Macht erscheinen, im Grunde waren sie weniger systemrelevant als die Stillen und Lauen. Als die DDR 1989 zerbröselte, geschah das ja nicht, weil es keine Funktionäre oder Aktivisten mehr gab, sondern weil die, die immer still gehalten hatten, plötzlich nicht mehr wollten. (Und am Ende des Zweiten Weltkriegs, anderes Beispiel, hatte Hitler noch Feldmarschälle, Generäle und Gruppenführer in rauen Mengen, woran es fehlte, war das „Menschenmaterial“, die Truppen, die man verheizen konnte.)
Es geht nicht darum, den ehemaligen Insassen der DDR ihre „Biographien“ vorzuhalten und ihnen rückwirkend mehr abzuverlangen, als man von Bewohnern westlicher Gefilde erwarten durfte. Es geht um dieselben Maßstäbe: Hast du dazu beigetragen, dass das System funktionierte, oder nicht? Dass das System „drüben“ seinen alltäglichen Herrschaftanspruch klarer formulierte und erkennbarer durchzusetzen bemüht war als der „freie Westen“, machte Dissidenz dort gewiss einfacher und gefährlicher, aber die ethischen Kriterien bleiben davon unberührt. Hüben wie drüben gilt, dass Überzeugungen, auch falsche, mitunter als Entschuldigungen taugen, dass aber bloßes Mitmachen und Nichtanecken das Schlimmste ist, was man getan haben kann.
Wäre Merkel überzeugte DDR-Sozialistin gewesen und in diesem Sinne aktiv, würde ich ihr das heute nicht ankreiden. Viel schlimmer finde ich, dass sie dumpf und angepasst war wie die überwältigende Mehrheit ihrer Landsleute — und dass sie dadurch das Ganze am Laufen hielt.
Freilich, ein solcher Vorwurf kann in einer Öffentlichkeit kaum formuliert werden, in der, wer Überzeugungen hat, als Störenfried gilt, in der man wegen Visionen zum Arzt geschickt wird und in der „Extremismus“ und „Radikalismus“ Schimpfwörter sind. In der also Mittelmaß und Angepasstheit Ideale sind, in der das Halbgare, Lauwarme und Flüchtige kurzfristig im Mittelpunkt steht und rasch durch Ebensolches ersetzt wird.
Jung-Angela führte ein ganz normales Leben. Mutti macht ganz normale Politik. Darin besteht, sieht das denn keiner?, der eigentlich Skandal!
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