Sonntag, 10. Juni 2012

Wenn der Rechtsstaat sich wehren muss (gegen Salafisten)

Man sage nicht, der Mann habe keine originellen Ideen. Der deutsche Bundesminister des Innern, Hans-Peter Friedrich, plädiert öffentlich dafür, Salafisten die Sozialleistungen zu kürzen („Die Welt“: „Friedrich will Salafisten an den Bart“, 8. Juni 2012): „Man sollte über alle Sanktionen nachdenken, die unser Sozialstaat hergibt. Ich halte es grundsätzlich für richtig, wenn staatliche Zuschüsse für solche Extremisten überprüft werden.“ Irgendwelche Angaben darüber, welche Sozialleistungen Personen, die (wie eigentlich?) amtlicherseits als Salafisten markiert werden, überhaupt bekommen, macht der Minister nicht. Angesprochen auf einen einzelnen Fall — den, so „Die Welt“ wörtlich „Hintermann der Koran-Verteilung in Deutschland“; was für ein Verbrecher, verteilt Bücher! an Deutsche! —, bei dem ein „Salafist“, so die Zeitung „angeblich 1.860 Euro Hartz IV im Monat für sich und seine drei Kinder erhalte“ (am Rande fragt man sich, mit welchem Recht das Blatt die Einkommensverhältnisse eines namentlich Genannten offenlegt), soll Bundesminister Friedrich geantwortet haben: „Ich teile das Unbehagen der Bürger zu 100 Prozent. Dass diese Leute auf Kosten des Steuerzahlers leben, finde ich unerträglich. Der Rechtsstaat muss sich dagegen wehren.“
Nun, man könnte selbstverständlich auch der altmodischen, gutmenschlich-naiven Meinung sein, es sei geradezu ein rechtsstaatlicher Grundsatz, dass Sozialleistungen nicht an die religiöse odr politische Gesinnung der Empfänger gebunden sind. Aber solche Skrupel passen nicht mehr in unsere Zeit. In die passt der antiislamistische Populismus à la Friedrich.
Allerdings kann dann die Streichung von Transferleistungen, auf die bisher ein Rechtsanspruch bestand, nur der Anfang sein. Diese Leute (und ihre Kinder!) müssen die ganze Härte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und jüdisch-christlich geprägten abendländischen Wertkultur kennenlernen! Wie wäre es, wenn alle Salafisten einen, na sagen wir mal: grünen Stern tragen müssten? Wenn die Salafisten als zweiten Vornamen Mohammed und die Salafistinnen Aischa annehmen müssten? Selbstverständlich sollte man ihnen ein arabisch stilisiertes S in die Pässe stempeln. Auch Ehe und Sex mit Personen abendländischen und demokratischen Blutes müssen verboten werden. Ebenso ist die Haltung deutscher Meerschweinchen zu untersagen. Satellitenschüsseln und MP3-Player sind abzuliefern. Am besten, man brächte zur besseren Überwachung alle Salafisten, die man nicht gleich abschiebt, an einem Ort zusammen. Arbeitslager in Mecklenburg-Vorpommern und anderen blühenden Landschaften des Ostens sind zumindest anzudenken.
Mit all dem ist es aber selbstverständlich auch noch nicht getan. Wahrscheinlich leben ja noch ganz weitere Unholde im Luxus von Arbeitslosengeld II und anderen vom Rechtsstaat bisher fälschlicherweise nicht an ihre Gesinnung gebundenen Sozialleistungen. Kommunisten zum Beispiel. Oder Autonome. Nichtwähler kämen da auch in Frage. Und Pazifisten. Überhaupt sollte man erst seine Treue zum Grundgesetz und den westlichen Werten (Waffenexport und Kriegführung inklusive) unter Beweis stellen müssen, bevor man irgendeinen Antrag stellen darf. Oder sonstwie der hart arbeitenden Volksgemeinschaft auf der Tasche liegen. Wäre ja noch schöner, wenn Salafisten und anderes Gesocks weiterhin einfach so die mit demokratischen Steuermitteln bezahlten Autobahnen verwenden dürften! Friedrich, übernehmen Sie.

4 Kommentare:

  1. Der Punkt warum man sich über 1860 € lt. Focus aufregen muss ist nicht der, dass es an einen Salafisten geht, sondern der, dass überhaupt Stütze in der Höhe gezahlt wird.

    Ich kenne viele Familienväter mit ebenfalls 3 oder mehr Kindern, einer 40 Stunden Woche, Überstunden und noch eventueller Samstags- und Sonntagsarbeit die weniger verdienen!

    Und alleine und nur darüber kann un muass man sich schon aufregen!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auch wieder falsch. Nicht über die "Stütze" (egal, ob deren Höhe nun Phantasieprodukt oder Realität ist) sollte man sich aufregen, sondern über das Lohnniveau. Und darüber, dass es Leute gibt, die, statt Niedriglöhne (und prekäre Beschäftigung und ...) zu kritisieren, lieber anderen ihre Sozialleistungen neiden. (Gerecht und vernünftig wäre ohnedies nur das Bedingungslose Grundeinkommen.)

      Löschen
  2. Tja.. Grundeinkommen. Ein feines (leider theoretisches) Konstrukt. Ob das funktionieren würde oder nicht sollte man nicht hier diskutieren.
    Es sei denn Sie verfassen einen Blogeintrag darüber :)

    Und ich neide die Stütze mitnichten. Ich finde nur die Höhe ist nicht gerechtfertigt, bietet dann bei diesem geringen Unterschied (bzw. sogar Vorteil zugunsten der Stütze) keinen Anreiz mehr überhaupt wieder in das Arbeitsleben einzutreten. Und das dürfte nicht sein.
    Ob nun die Stütze zu hoch oder das Lohnniveau zu niedrig ist liegt im Blickwinkel des Betrachters. Mein geneigter Arbeitgeber ist da sicherlich anderer Meinung als ich...
    Im Moment kann ich nur sagen:
    Die 1800 Euro (ob falsch oder nicht - ich kann den Mann schlecht selbst fragen) sind eine erstaunlich geringe Differenz zu meinem Gehalt, dafür dass er Sozialleistungen bezieht und eine verfassungsfeindliche Organisation unterstützt. Von "den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen" will ich gar nicht reden...
    Ich weiß nicht, wie ihr Gehalt aussieht - aber bei den meisten dürfte es ähnlich sein wie bei mir.
    Minister Friedrich hat da etwas formuliert, was nicht umsetzbar ist (da haben Sie ja drauf hingewiesen), was aber fast jeder so als Gedanken bei diesem Thema im Kopf hat.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Holger! "Dafür dass er Sozialleistungen bezieht und eine verfassungsfeindliche Organisation unterstützt" - nun, gerade darüber meinte ich ja geschrieben zu haben, dass das eine mit dem anderen nicht das geringeste zu tun hat. Gemeinsam ist beiden Themen wohl nur, dass man ihnen gerne mit Ressentiments ("was jeder so im Kopf hat") begegnet. Im Übrigen werden Sie oder Minister Friedrich sich schon entscheiden müssen: Liegt der Salafist nun auf der faulen Haut oder ist er eine aktive Bedrohung der inneren Sicherheit? - Ihre Anregung, mal was übers Bedingungslose Grundeinkommen zu bloggen, nehme ich bei Gelegenheit gerne auf. Ich hoffe sehr, Sie vergessen nicht, dann mit mir darüber zu diskutieren. Bis demnächst!

      Löschen