„Das ist aber eine sehr weibliche Handschrift“, sagte X., nachdem sie ein zufällig herumliegendes, von Hand beschriebenes Blatt Papier betrachtet hatte. (Fast vierzig Jahre ist das her.) Sie wollte mir damals wohl etwas am Zeug flicken. Es ärgerte sie offensichtlich, dass ich als fast einziger Mann in unserem gemeinsamen Umfeld nicht mit ihr geschlafen hatte und das auch nicht zu wollen schien. Dabei hatte sie sich eine Zeit lang sogar eingeredet, ich müsse in sie verliebt sein. Das war ich freilich nicht, und hielt mit meinem Desinteresse auch nicht hinterm Berg. Darum also ihre mokante Bemerkung über meine Handschrift. Mit „weiblicher Handschrift“ war gemeint: schwul. Sie hätte es gewiss gar zu gern gehabt, meine sexuelle Orientierung aufzudecken, über die sprach ich damals aber nicht. „Der Zettel ist nicht von mir“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Der ist von Y.“ Das war der Mann, mit dem sie zuletzt im Bett gewesen war.
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