Was die
Zuwanderung betrifft, so ist mit dem Evangelium einzig und allein
eine Politik der offenen Grenzen vereinbar. Jeder, der es nötig hat,
also nicht nur der „politisch“ Verfolgte, sondern gerade auch der
„Wirtschaftsflüchtling“, also der, der vor Armut und Unbildung
flieht, muss willkommen geheißen und aufgenommen werden.
Jesus lehrt
uns, den Hungrigen und Durstigen etwas zu essen und zu trinken zu
geben, die Nackten zu kleiden, die Obdachlosen zu beherbergen und uns
um die Kranken und Gefangenen zu kümmern. Schlimm genug, wenn das
innerhalb von Gesellschaften nicht geschieht. Doch was die
Auswanderung aus einer und die Einwanderung in eine andere
Gesellschaft betrifft, gibt es ebenfalls keinen Grund, zwischen „uns“
(für die wir verantwortlich sind) und „denen“ (deren Leid uns
nichts angeht) zu unterscheiden.
Es heißt
klar und einfach: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und nicht:
Sorge nur für den, der dir nützlich ist, für den, von dessen
Ausbildung und Beruf du profitieren willst, für den, der deine
Sprache spricht, für den, dessen Gewohnheiten sich mit deinen
Vereinbaren lassen und dessen Überzeugungen du verstehst und
billigst, weil es die deinen sind.
Der Einwand,
die Gebote Christi gälten nur für den Einzelnen, nicht für
hochkomplexe Gesellschaften, ist falsch. Es kann nicht sein, dass der
Einzelne nicht lügen, nicht stehlen, nicht morden darf, eine
Gemeinschaft aber schon. Lüge, Diebstahl, Mord sind immer
verwerflich. Zumal es keine Handlungen einer Gemeinschaft gibt, die
nicht von Einzelnen vollzogen würden. Gemeinschaftliches Handeln ist
auf einander bezogenes Handeln von Einzelnen. Schon deshalb gelten
dafür dieselben Gebote. Ein Christ kann nicht „privat“ dem Gebot
der Nächstenliebe folgen, aber „öffentlich“ nicht. Verhält er
sich so, verhält er sich falsch und folgt nicht Christus nach.
Es stimmt,
niemand ist über sein Können hinaus verpflichtet. Wer aber sagt,
wie viele Menschen genau in eine Gesellschaft einwandern können,
bevor die „Belastbarkeit“ überschritten ist? Wer definiert
überhaupt die Zuwanderung von Menschen mit Hoffnungen und
Fähigkeiten, mit dem Wunsch nach einem besseren Leben als Last statt
als Potenzial? Wer sagt, Zuwanderung müsse bedeuten, dass alles beim
Alten bleibe und die Zugewanderten mehr oder minder wegassimiliert
würden? Wer sagt, dass das (politisch, ökonomisch, kulturell,
sprachlich) Gewohnte Ewigkeitswert haben müsse? Gesellschaften
verändern sich sowieso. Und ist nicht eine Veränderung besser, die
mehr Menschen Sicherheit und Wohlstand bringt.
Das
Weiterso-wie-bisher ist tödlich. Es ist der Weg der Sünde. Jesus
ruft zur Umkehr auf: Zur Veränderung der Haltung zu Mitmenschen und
Gott. Jesus sagt nicht: Schaff dir eine komfortable Nische in dieser
Welt, in der du das Elend drumherum überstehen kannst. Er sagt:
Liebt einander.
Er sagt nicht: Mach Karriere, verdiene viel Geld, flieg oft in
Urlaub, kauf dir ein Haus, Unterhaltungselektronik und ein
Netflix-Abo usw. usf. Er sagt: Es gibt keine größere Liebe, als
wenn einer sein
Leben
für seine
Freunde hingibt.
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