Der Anfang der Philosophie ist das Staunen: Ich zum Beispiel staune immer wieder darüber, wie dumm Philosophen sein können.
Montag, 17. Oktober 2016
Donnerstag, 13. Oktober 2016
Selbstmörder oder „Selbstmordattentäter“
Ich habe nie
verstanden, warum die Leute solche Schwierigkeiten haben, das Handeln
sogenannter „Selbstmordattentäter“ zu verstehen. Wie kann man
sich nur selbst in die Luft sprengen und dabei auch noch andere mit
in den Tod reißen?, fragen sich viele. Keine Ahnung, was daran so
unverständlich sein soll. Jeder Soldat, der einen Kampfeinsatz hat,
wird dabei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ums Leben kommen.
Die Wahrscheinlichkeit mag sehr gering sein oder sehr hoch oder
irgendwo dazwischen liegen, es gibt sie immer. Bei einem
„Selbstmordattentäter“ beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er
ums Leben kommt, eben einhundert Prozent, das ist der ganze
Unterschied.
Und auch dieser Unterschied ist nicht absolut, denn nicht selten gibt es Fälle, in denen Soldaten vor einem Einsatz wissen (oder zumindest wissen könnten), dass sie aus ihm mit ziemlicher Sicherheit nicht lebend zurückkommen werden — was sie nicht (oder nicht immer) davon abhält, ihren Befehlen zu folgen.
Der Zweck des Soldatseins besteht darin, Gewalt auszuüben oder anzudrohen, die zur Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und zur Verletzung oder Tötung von Menschen führt. Man muss die Gründe, warum ein Soldat tut, was er tut, nicht billigen, um zu verstehen, warum er tut, was er tut. Warum sollte das bei „Selbstmordattentätern“ (ob man sie nun als Terroristen oder Freiheitskämpfer oder sonstwas betrachtet) anders sein? Es mag Soldaten oder Terroristen geben, die bewusst den Tod suchen, aber es ist nicht der Zweck, sondern allenfalls der Preis ihres Handelns, dass sie selber sterben. Soldaten sind Mörder, lautet die bekannte Formel von Tucholsky. Aber Selbstmörder sind sie in der Regel nicht, und dasselbe gilt für Terroristen, weshalb „Selbstmordattentäter“ ein völlig falscher Ausdruck ist.
Seit säkulare Terroristen seltener geworden sind als früher oder zumindest weniger Aufmerksamkeit erhalten, ist der „islamistische Selbstmordattentäter“ zum Inbegriff des „Selbstmordattentäters“ geworden. Der unmittelbare Zweck seines Handelns mag militärisch oder terroristisch sein, als religiöse Motivation wird die Belohnung durch die Freuden des Paradieses unterstellt (darunter die berüchtigten 72 Jungfrauen). Anders gesagt, ein „islamistische Selbstmordattentäter“ setzt sein Leben ein für einen höheren Zweck — nicht anders eben als ein Soldat, mag dieser nun für die Verteidigung des Vaterlandes, die Ehre der Nation, den Sieg einer Klasse oder Rasse oder sonstwas zu sterben bereit sein. Der „Attentäter“ sprengt sich also nicht in die Luft, um sich zu töten, sondern er tötet sich, um möglichst effizient anderen Schaden zuzufügen.
Der Islam verbietet (und zwar meines Wissens in jeder seiner Glaubensrichtungen) den Selbstmord. Das verführt manche dazu, „islamistische Selbstmordattentäter“ für unislamisch zu halten. Das mag stimmen, lässt sich jedoch aus der Bereitschaft, so zu handeln, dass das eigene Handeln zum eigenen Tod führt, nicht ableiten, denn dieselbe Bereitschaft hat, wie gesagt, jeder Soldat (wenngleich nicht in jedem Fall und immer in demselben Ausmaß).
Dass Jabr Albakr in seiner Zelle Selbstmord beging, spricht nicht dafür, dass es sich bei ihm um einen potenziellen „islamistischen Selbstmordattentäter“ handelte. Aus der angenommen Bereitschaft, bei dem Versuch, andere zu töten, selbst umzukommen, kann nicht auf Selbstmordgefährdung geschlossen werden. Ein einsamer Selbstmord ist geradezu das Gegenteil eines „Selbstmordattentats“. Ein Islamist wird sich, sofern bei ihm echte muslimische Überzeugungen anzunehmen sind, nicht selbst töten. Mit anderen Worten, wenn Jabr Albakr Selbstmord begangen hat, war er wohl nicht der potenzielle „islamistische Terrorist“, als den ihn die Behörden der schlecht informierten Öffentlichkeit andienen wollen.
Allerdings kann es sein, dass Albakr suizidwillig war, ganz unabhängig von politischen oder religiösen Intentionen. Wer sich umbringen will, kann auch andere „mitnehmen“ wollen, und zwar möglichst viele auf möglichst spektakuläre Art, das kommt vor. Aber so ein erweiterter Selbstmord ist etwas grundsätzlich anderes als ein „Selbstmordattentat“. Hier nicht zu unterscheiden, psychische Probleme und politisch-religiöse Motive gleichzusetzen, also Privates mit Politischem in einen Topf zu werfen, arbeitet nur denen zu, die jeden Anschein von „Terror“ dazu benützen möchten, die Bevölkerung zu terrorisieren und ihr die zumindest stillschweigende Bereitschaft abzupressen, um vermeintlicher Gefahrenabwehr und Sicherheit willen noch mehr Einschränkungen von Bürgerrechten zuzustimmen.
Und auch dieser Unterschied ist nicht absolut, denn nicht selten gibt es Fälle, in denen Soldaten vor einem Einsatz wissen (oder zumindest wissen könnten), dass sie aus ihm mit ziemlicher Sicherheit nicht lebend zurückkommen werden — was sie nicht (oder nicht immer) davon abhält, ihren Befehlen zu folgen.
Der Zweck des Soldatseins besteht darin, Gewalt auszuüben oder anzudrohen, die zur Beschädigung oder Zerstörung von Sachen und zur Verletzung oder Tötung von Menschen führt. Man muss die Gründe, warum ein Soldat tut, was er tut, nicht billigen, um zu verstehen, warum er tut, was er tut. Warum sollte das bei „Selbstmordattentätern“ (ob man sie nun als Terroristen oder Freiheitskämpfer oder sonstwas betrachtet) anders sein? Es mag Soldaten oder Terroristen geben, die bewusst den Tod suchen, aber es ist nicht der Zweck, sondern allenfalls der Preis ihres Handelns, dass sie selber sterben. Soldaten sind Mörder, lautet die bekannte Formel von Tucholsky. Aber Selbstmörder sind sie in der Regel nicht, und dasselbe gilt für Terroristen, weshalb „Selbstmordattentäter“ ein völlig falscher Ausdruck ist.
Seit säkulare Terroristen seltener geworden sind als früher oder zumindest weniger Aufmerksamkeit erhalten, ist der „islamistische Selbstmordattentäter“ zum Inbegriff des „Selbstmordattentäters“ geworden. Der unmittelbare Zweck seines Handelns mag militärisch oder terroristisch sein, als religiöse Motivation wird die Belohnung durch die Freuden des Paradieses unterstellt (darunter die berüchtigten 72 Jungfrauen). Anders gesagt, ein „islamistische Selbstmordattentäter“ setzt sein Leben ein für einen höheren Zweck — nicht anders eben als ein Soldat, mag dieser nun für die Verteidigung des Vaterlandes, die Ehre der Nation, den Sieg einer Klasse oder Rasse oder sonstwas zu sterben bereit sein. Der „Attentäter“ sprengt sich also nicht in die Luft, um sich zu töten, sondern er tötet sich, um möglichst effizient anderen Schaden zuzufügen.
Der Islam verbietet (und zwar meines Wissens in jeder seiner Glaubensrichtungen) den Selbstmord. Das verführt manche dazu, „islamistische Selbstmordattentäter“ für unislamisch zu halten. Das mag stimmen, lässt sich jedoch aus der Bereitschaft, so zu handeln, dass das eigene Handeln zum eigenen Tod führt, nicht ableiten, denn dieselbe Bereitschaft hat, wie gesagt, jeder Soldat (wenngleich nicht in jedem Fall und immer in demselben Ausmaß).
Dass Jabr Albakr in seiner Zelle Selbstmord beging, spricht nicht dafür, dass es sich bei ihm um einen potenziellen „islamistischen Selbstmordattentäter“ handelte. Aus der angenommen Bereitschaft, bei dem Versuch, andere zu töten, selbst umzukommen, kann nicht auf Selbstmordgefährdung geschlossen werden. Ein einsamer Selbstmord ist geradezu das Gegenteil eines „Selbstmordattentats“. Ein Islamist wird sich, sofern bei ihm echte muslimische Überzeugungen anzunehmen sind, nicht selbst töten. Mit anderen Worten, wenn Jabr Albakr Selbstmord begangen hat, war er wohl nicht der potenzielle „islamistische Terrorist“, als den ihn die Behörden der schlecht informierten Öffentlichkeit andienen wollen.
Allerdings kann es sein, dass Albakr suizidwillig war, ganz unabhängig von politischen oder religiösen Intentionen. Wer sich umbringen will, kann auch andere „mitnehmen“ wollen, und zwar möglichst viele auf möglichst spektakuläre Art, das kommt vor. Aber so ein erweiterter Selbstmord ist etwas grundsätzlich anderes als ein „Selbstmordattentat“. Hier nicht zu unterscheiden, psychische Probleme und politisch-religiöse Motive gleichzusetzen, also Privates mit Politischem in einen Topf zu werfen, arbeitet nur denen zu, die jeden Anschein von „Terror“ dazu benützen möchten, die Bevölkerung zu terrorisieren und ihr die zumindest stillschweigende Bereitschaft abzupressen, um vermeintlicher Gefahrenabwehr und Sicherheit willen noch mehr Einschränkungen von Bürgerrechten zuzustimmen.
Sonntag, 2. Oktober 2016
Splitterrichter meiner selbst (III)
Mir
waren jene Schaudenker immer unangenehm, die die Leute dadurch in den
Bann zogen, dass sie sich zwar als gebildeter und klüger als ihrer
Zuhörer und Leser darstellten, zugleich aber den Eindruck vermittelten,
allein schon dadurch, dass man ihre Überlegenheit anerkenne, habe man gewissermaßen Anteil an derselben. Doch so abstoßend ich dieses Geschäftsmodell stets fand, wäre ich nicht insgeheim selbst auch immer gern so ein Vordenker gewesen, dem die Leute nachdenken?
Eines darf man mir glauben: Ich möchte nicht, dass man mir Recht gibt, wo ich nicht Recht habe.
Könnte, dass man mich zuweilen für rechthaberisch hält, nicht einfach damit zu tun haben, dass mir zu den von anderen vorgebrachten Argumenten fast immer Gegengründe und Umformulierungen einfallen und ich sie, statt einfach den Mund zu halten, auch vorschlage?
Ich möchte (nicht immer und überall, sondern bei dem, was mich interessiert) herausbekommen, was wahr ist, und übersehe, dass dieser Wille zur Wahrheit nur meiner ist, dass andere vielleicht ganz anderes wollen. Zwar geht es möglicherweise auch ihnen um wahre Überzeugungen, aber ihre Kriterien dafür, was als wahr gelten kann, sind unter Umständen andere als meine.
Wahrheitsproduktion ist eingebettet in soziale Strukturen. Das ist mir klar. Aber ich tue immer so, als hätte ich nichts damit zu tun.
Logisch gesehen muss, was wahr ist, für alle wahr sein. Tatsächlich aber gibt es verschiedene „Wahrheiten“, je nach dem, was jemand aus welchen Gründen wahr haben will (oder als wahr anerkennen kann).
Weil anderen nicht nur wichtig ist, ob stimmt, was sie sagen, sondern noch viel wichtiger, ob man ihnen auch zustimmt, unterstellen sie mir, mir ginge es genauso.
Ich wirke vielleicht deshalb rechthaberisch, weil mir wichtiger ist, dass stimmt, was ich sage, als dass man mir zustimmt.
Von der Sache her gesehen ist es wichtiger, Recht zu haben als Recht zu bekommen. Von den gesellschaftlichen Verhältnissen her gesehen ist es wichtiger, Recht zu bekommen als Recht zu haben. (Siehe Michael Kohlhaas.)
Man bekommt ein anderes Verhältnis zum Rechthaben, wenn man nie Recht bekommt, weil das eigene Denken für andere zu abseitig ist.
Was die Voraussetzungen ihrer Überzeugungen in Frage stellt oder schlicht nicht teilt, muss den Menschen als abseitig erscheinen.
Wenn man ohnehin nicht erwartet, Recht zu bekommen, kann man seine Befriedigung daraus beziehen, andere vor den Kopf zu stoßen. Dann darf man sich aber auch nicht wundern und darüber beschweren, dass man nicht Recht bekommt.
Eines darf man mir glauben: Ich möchte nicht, dass man mir Recht gibt, wo ich nicht Recht habe.
Könnte, dass man mich zuweilen für rechthaberisch hält, nicht einfach damit zu tun haben, dass mir zu den von anderen vorgebrachten Argumenten fast immer Gegengründe und Umformulierungen einfallen und ich sie, statt einfach den Mund zu halten, auch vorschlage?
Ich möchte (nicht immer und überall, sondern bei dem, was mich interessiert) herausbekommen, was wahr ist, und übersehe, dass dieser Wille zur Wahrheit nur meiner ist, dass andere vielleicht ganz anderes wollen. Zwar geht es möglicherweise auch ihnen um wahre Überzeugungen, aber ihre Kriterien dafür, was als wahr gelten kann, sind unter Umständen andere als meine.
Wahrheitsproduktion ist eingebettet in soziale Strukturen. Das ist mir klar. Aber ich tue immer so, als hätte ich nichts damit zu tun.
Logisch gesehen muss, was wahr ist, für alle wahr sein. Tatsächlich aber gibt es verschiedene „Wahrheiten“, je nach dem, was jemand aus welchen Gründen wahr haben will (oder als wahr anerkennen kann).
Weil anderen nicht nur wichtig ist, ob stimmt, was sie sagen, sondern noch viel wichtiger, ob man ihnen auch zustimmt, unterstellen sie mir, mir ginge es genauso.
Ich wirke vielleicht deshalb rechthaberisch, weil mir wichtiger ist, dass stimmt, was ich sage, als dass man mir zustimmt.
Von der Sache her gesehen ist es wichtiger, Recht zu haben als Recht zu bekommen. Von den gesellschaftlichen Verhältnissen her gesehen ist es wichtiger, Recht zu bekommen als Recht zu haben. (Siehe Michael Kohlhaas.)
Man bekommt ein anderes Verhältnis zum Rechthaben, wenn man nie Recht bekommt, weil das eigene Denken für andere zu abseitig ist.
Was die Voraussetzungen ihrer Überzeugungen in Frage stellt oder schlicht nicht teilt, muss den Menschen als abseitig erscheinen.
Wenn man ohnehin nicht erwartet, Recht zu bekommen, kann man seine Befriedigung daraus beziehen, andere vor den Kopf zu stoßen. Dann darf man sich aber auch nicht wundern und darüber beschweren, dass man nicht Recht bekommt.
Abonnieren
Posts (Atom)