Spräche man den Leuten heute vom Zorn Gottes, vom letzten Gericht und von ewiger Verdammnis, sie lachten einem ins Gesicht und sagten womöglich noch ein paar Frechheiten. Also spricht man ihnen von Barmherzigkeit, Vergebung und dem Sinn des Lebens. Sie gähnen und gehen weiter.
Mittwoch, 23. März 2016
Mittwoch, 9. März 2016
Glosse XLI
Taliban starten Offensive in der Provinz Helmland, wird gemeldet. Nun wäre Helm-Land sicher ein guter Name für diejenigen Gegenden Afghanistans, wo man besser mit Helm auf dem Kopf auf die Straße geht (wie es die ausländischen Militärs zu tun pflegen), aber die zur Rede stehende Provinz heißt Helmand.
Mittwoch, 2. März 2016
Flüchtlingszahlen oder Menschen
Es ist ebenso bezeichnend wie abstoßend, dass in den Äußerungen zur sogenannten Flüchtlingskrise* immer vor allem von Quantitäten die Rede ist. Angeblich geht es um Ströme, Mengen, Kontingente, Kapazitäten … — kurzum: um Zahlen, die es zu bewältigen gilt, indem man sie beziffert, hochrechnet, dividiert, umleitet, begrenzt, reduziert, neuberechnet usw. usf.
Dass es eigentlich um Menschen geht, gerät dabei absichtlich aus dem Blick.
Wer etwa von Strömen spricht, hat das Individuelle bereits gedanklich liquidiert und kann Individuen nur noch als anonyme und beliebige Partikel einer heranflutenden oder vorbeirauschenden Masse wahrnehmen.
Der Einzelne taugt bestenfalls noch als Fall, der Typisches oder Außergewöhnliches illustriert. Bei dem und dem ist das so und so, aber bei wie vielen ist es auch so (oder anders)?
Die Umrechnung von Menschen in Quantitäten ist eine Dehumanisierung. Zum Verschwinden gebracht wird der wirkliche und leibhaftige Mensch mit seinen Nöten und Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Rechten und Pflichten. Es geht nur noch um das Kalkulierbare der Statistiken und die unkalkulierbaren Risiken bei der Steuerung des Ganzen.
Gefragt wird zum Beispiel: Wie viele können wir aufnehmen? Statt: Wollen, können, müssen wir diesen hier oder jene dort aufnehmen?
Diese Entmenschlichung ist kein Versehen. Sie gehört als fester Bestandteil zum biopolitischen Instrumentarium, mittels dessen Menschen als Tiere gelten und wie Dinge behandelt werden. Die Dinge sind längst das Maß aller Menschen. Es zählt, was messbar ist, was berechnet werden kann, was einen im Grunde nichts angeht, weil es einen nicht betrifft, sondern einen objektiven Wert darstellt oder eben keinen.
Auf der anderen Seite derselben Münze die Entfesselung der Ressentiments, auch sie eine Bestialisierung. Sich der Kontingenz seiner Subjektivität nicht zu schämen, sie schon gar nicht kritisch zu reflektieren, sondern sie anderen im Zweifelsfall um die Ohren zu schlagen, gehört, wenn schon nicht zum guten, so doch zum üblichen Ton. Ich bin ich, das ist mein Stil, ich will so bleiben, wie ich bin, wem’s nicht passt, den eliminiere ich, indem ich ihn überschreie oder schlicht nicht wahrhaben will.
In der sogenannten Flüchtlingskrise* kommt beides zusammen, ermöglicht sich beides wechselseitig: das Kalkül und das Ressentiment, die dehumanisiernde Quantifizierung und durch zivilisatorisch enthemmte Subjektivität. Die unmenschliche, menschenverachtende Politik der Regierungen korrespondiert dem Gefühlshaushalt vieler Leute, in dem Verlustängsten und Besitzgier, Gewohnheitsvertierung und Gelegenheitsexzesse einen instabilen Ausgleich finden, der leicht zu manipulieren ist.
Die herrschende Unmoral weiß sich dadurch bestätigt, dass es um Moral nicht gehen soll, sondern um Sachfragen. „Verantwortung“ sagt man nur, wenn man Macht meint. Der andere Mensch ist kein gleichberechtigtes Gegenüber, sondern die eigene Berechnung in Gestalt eines Problems. Die Lösung soll dabei aus einer Gleichung hervorgehen, die aber von vornherein falsch ist, weil sie das Wesentliche verfehlt: Das Menschsein des Menschen, sein Dasein für andere, die unabdingbare Verwiesenheit des einen an den anderen. Was wir einander schuldig sind, lässt sich nicht verrechnen. Darum sind bloße Zahlen nicht nur nichtssagend, sondern Lügen.
Dass es eigentlich um Menschen geht, gerät dabei absichtlich aus dem Blick.
Wer etwa von Strömen spricht, hat das Individuelle bereits gedanklich liquidiert und kann Individuen nur noch als anonyme und beliebige Partikel einer heranflutenden oder vorbeirauschenden Masse wahrnehmen.
Der Einzelne taugt bestenfalls noch als Fall, der Typisches oder Außergewöhnliches illustriert. Bei dem und dem ist das so und so, aber bei wie vielen ist es auch so (oder anders)?
Die Umrechnung von Menschen in Quantitäten ist eine Dehumanisierung. Zum Verschwinden gebracht wird der wirkliche und leibhaftige Mensch mit seinen Nöten und Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Rechten und Pflichten. Es geht nur noch um das Kalkulierbare der Statistiken und die unkalkulierbaren Risiken bei der Steuerung des Ganzen.
Gefragt wird zum Beispiel: Wie viele können wir aufnehmen? Statt: Wollen, können, müssen wir diesen hier oder jene dort aufnehmen?
Diese Entmenschlichung ist kein Versehen. Sie gehört als fester Bestandteil zum biopolitischen Instrumentarium, mittels dessen Menschen als Tiere gelten und wie Dinge behandelt werden. Die Dinge sind längst das Maß aller Menschen. Es zählt, was messbar ist, was berechnet werden kann, was einen im Grunde nichts angeht, weil es einen nicht betrifft, sondern einen objektiven Wert darstellt oder eben keinen.
Auf der anderen Seite derselben Münze die Entfesselung der Ressentiments, auch sie eine Bestialisierung. Sich der Kontingenz seiner Subjektivität nicht zu schämen, sie schon gar nicht kritisch zu reflektieren, sondern sie anderen im Zweifelsfall um die Ohren zu schlagen, gehört, wenn schon nicht zum guten, so doch zum üblichen Ton. Ich bin ich, das ist mein Stil, ich will so bleiben, wie ich bin, wem’s nicht passt, den eliminiere ich, indem ich ihn überschreie oder schlicht nicht wahrhaben will.
In der sogenannten Flüchtlingskrise* kommt beides zusammen, ermöglicht sich beides wechselseitig: das Kalkül und das Ressentiment, die dehumanisiernde Quantifizierung und durch zivilisatorisch enthemmte Subjektivität. Die unmenschliche, menschenverachtende Politik der Regierungen korrespondiert dem Gefühlshaushalt vieler Leute, in dem Verlustängsten und Besitzgier, Gewohnheitsvertierung und Gelegenheitsexzesse einen instabilen Ausgleich finden, der leicht zu manipulieren ist.
Die herrschende Unmoral weiß sich dadurch bestätigt, dass es um Moral nicht gehen soll, sondern um Sachfragen. „Verantwortung“ sagt man nur, wenn man Macht meint. Der andere Mensch ist kein gleichberechtigtes Gegenüber, sondern die eigene Berechnung in Gestalt eines Problems. Die Lösung soll dabei aus einer Gleichung hervorgehen, die aber von vornherein falsch ist, weil sie das Wesentliche verfehlt: Das Menschsein des Menschen, sein Dasein für andere, die unabdingbare Verwiesenheit des einen an den anderen. Was wir einander schuldig sind, lässt sich nicht verrechnen. Darum sind bloße Zahlen nicht nur nichtssagend, sondern Lügen.
* Die keine ist, sondern, wenn schon, dann eine Einheimischenkrise, denn nicht die Flüchtlinge sind das Problem und bereiten die Probleme, sondern die Gesellschaften, die niemandem oder möglichst wenigen Zuflucht gewähren wollen. Eine bessere Bezeichnung als „Flüchtlingskrise“ wäre darum „Abwehrkampf der Regierungen der reichen Länder gegen Teile der Bevölkerung der armen Länder“.
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