Aus Anlass der dreißigsten Wiederkehr ihres Todestages ist heute vielerorts von Zarah Leander die Rede. Dabei wird, wie üblich, allerhand Unsinn verzapftm vorzugsweise über ihre Rolle im Dritten Reich. Besonders ärgern mich in dem Zusammenhang immer dieAusdrücke „Durchhaltefilme“ und „Durchhaltelieder“. Es besteht zwar kein Zweifel, dass auch unter dem NS-Regime — und unter welchem Reime wäre das je anders? — die Unterhaltungsindustrie sich nebst dem Profit dem Ziel verpflichtet wusste, gute Stimmung zu erzeugen und die Leute von der Realität abzulenken. Wer aber heute noch meint, mit Kino und Schallplatte sei beinahe der Krieg gewonnen oder zumindest verlängert worden, denkt wie Goebbels und irrt. Wer bei Verstand ist, kann doch nicht wirklich glauben, ohne die Filme und Lieder der Zarah Leander und anderer wäre auch nur ein Mensch weniger gestorben. Aber vielleicht wurde manchem in all dem Schrecklich (an dem er vielleicht selbst mitwirkte, vielleicht auch nicht) doch eine Weile leichter ums Herz, wenn er sich in die visuellen und akustischen Traumwelten verlieren konnte. Ich missgönne das keinem. Und das „Durchhalten“ hat ja eigentlich noch eine andere Bedeutung als die, die Goebbels wollte und auch heutige „Kritiker“ noch gerne haben wollen. Nicht um jeden Preis bis zum Endsieg kämpfen, sondern den Schrecken und den Wahn, in den sie sich verstrickt hatten oder in den sie verstrickt worden waren überleben, das wollten die meisten Menschen. Und das ist der Subtext der zum Beispiel in „Davon geht die Welt nicht unter“ mitzuhören ist, wenn man verstehen will, was der Autor Bruno Balz sagen wollte. Denn der war kein Nazi und kein Durchhaltepropagandist, sondern einer, der erst vor einiger Zeit aus dem Kazett entlassen worden war, nicht zuletzt, weil seine Freundin Zarah Leander sich für ihn eingesetzt hatte. Dass die Texte von Bruno Balz, die oberflächlich betrachtet oft so harmlos und völlig unpolitisch erscheinen, einen subtilen Witz zu bieten hatten und für kundige Leser noch heute haben, den man schwerlich anders als als poetischen Widerstand bezeichnen kann, habe ich von neun Jahren in einem Zeitungsartikel zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages zu zeigen versucht, den ich hier wieder zugänglich mache.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen