Ist das noch komisch oder schon lächerlich? Christian Högl, der Obmann der Homosexuellen Initiative Wien, hat der interessierten Öffentlichkeit bereitwillig Einblicke in die ästhetische Gestaltung seines Wohnzimmers gewährt („Der Standard“, 18./19. Juni 20011) Man erfährt dabei etwas über die Farben der Wände, über das Sofa, das Högl hat, und das Sofa, das Högl gerne hätte, über Gemütlichkeit, über ein „schwules Klischee“ (gemeint ist wohl ein Klischee über Schwule — das angeblich darin besteht, dass sie viele bunte Bilder und Posters an der Wand haben; man lernt nie aus) und über das Fehlen eines Einrichtungskonzeptes. Über den letztgenannten Umstand gibt sich Högl recht erstaunt: „Eigentlich ist das eine Schande, denn ich bin hauptberuflich Grafiker, ich setze mich tagtäglich mit Gestaltung auseinander und habe ein ästhetisch geschultes Auge im Print- und Webbereich.“ Na dann.
In all dem Geschwätz fällt mir, der ich ein intellektuell geschultes Auge nicht nur im Bereich der Druckschriften und Netzveröffentlichungen habe, ein Satz besonders auf. Högl erwähnt unter seinen Wünschen für ein wohnzimmermäßiges Design-Relaunch auch: „Und meine Bücher würde ich gerne in einem Kasten* verschließen. Erstens sind mir die vielen bunten Buchrücken zu unruhig, zweitens ist das Ausstellen der Bücher in einem offenen Regal heute eh nicht mehr en vogue. Der Trend geht hin zu Einfachheit und Schlichtheit.“ (*Für deutsche Leser: „Kasten“ meint „Schrank“.)
Nun, am Schlichtheit, zumindest des Gemüts, scheint es Christian Högl nicht zu mangeln. Dass manche Leute Bücher deshalb herumstehen haben, weil sie diese Dinger zu lesen pflegen, und nicht, weil es sich um Dekorationselemente handelt, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen. Bei mir zum Beispiel, um auch mal was Privates öffentlich zu machen, stehen, lehnen und liegen die Bücher nicht nur ganz offen im Regal herum, sondern stapeln sich auch auf Tischen und Fußböden. Sieht fürs wohnzeitschriftengeschulte Auge vielleicht nicht gut aus, ist aber so und geht auch gar nicht anders, weil ich einfach zu viele Bücher habe und dauernd noch welche dazu kommen.
Zurück zu Högl. Der will also um der Einrichtungsmode willen die Bücher im Schrank verstecken. Zu komisch! War nicht mal „Get out of the closet!“ ein wichtiger Slogan der Schwulenbewegung? Dieses „Raus aus dem Schrank“ war Teil des Konzeptes „Macht euer Schwulsein öffentlich!“ Dem scheint Högl ja auch immer noch anzuhängen (sofern es nicht um Bücher geht): „Natürlich habe ich auf meiner Eingangstür einen kleinen Regenbogenaufkleber. Das gehört zu meiner Identität. Aber ich habe den Eindruck, dass man in Wien früher viel mehr Regenbogenfahnen aus den Fenstern und von Balkonen hängen gesehen hat als heute. Auch ich habe damals eine Fahne auf dem Balkon gehabt. Das war immer eine Art Zeichen zu sagen: ‘Seht her, ich bin schwul! Seht her, ich bin lesbisch!’ Irgendwie finde ich schade, dass das zurückgegangen ist. Doch es zeigt auch, dass das Thema in der Gesellschaft selbstverständlicher geworden ist.“
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Integriert euch, aber markiert euch. Was will Högl denn nun? Selbstverständlichkeit oder Auffälligkeit? Beides gleichzeitig geht wohl nur im amerikanischen System der quasi-ethnischen Identitäten, die alle irgendwie gleichberechtigt sind (wobei dieses Irgendwie weder soziale Hegemonie noch praktischen Rassismus ausschließt …), aber eben auch notwendig, um dem Individuum über seine Zugehörigkeit zu einer anerkannten Gruppe oder Untergruppe seine Rechte und Pflichten zuzuweisen.
Huch, das war jetzt wohl zu intellektuell! Rasch zurück in den Schrank damit! — Ich freunde mich gerade mit der Vorstellung an, dass Högels bücherversteckender Bücherschrank geradezu die Metapher für das ist, was nach der Schwulenbewegung und ihren uneingelösten Emanzipationsansprüchen im beginnenden 21. Jahrhundert bei Homo-Vereinsmeiern noch an „Politik“ und Lebensstil übrig geblieben ist: Mode und Schein und eine gewisse Abneigung gegen alles, was Gedanken macht.
In all dem Geschwätz fällt mir, der ich ein intellektuell geschultes Auge nicht nur im Bereich der Druckschriften und Netzveröffentlichungen habe, ein Satz besonders auf. Högl erwähnt unter seinen Wünschen für ein wohnzimmermäßiges Design-Relaunch auch: „Und meine Bücher würde ich gerne in einem Kasten* verschließen. Erstens sind mir die vielen bunten Buchrücken zu unruhig, zweitens ist das Ausstellen der Bücher in einem offenen Regal heute eh nicht mehr en vogue. Der Trend geht hin zu Einfachheit und Schlichtheit.“ (*Für deutsche Leser: „Kasten“ meint „Schrank“.)
Nun, am Schlichtheit, zumindest des Gemüts, scheint es Christian Högl nicht zu mangeln. Dass manche Leute Bücher deshalb herumstehen haben, weil sie diese Dinger zu lesen pflegen, und nicht, weil es sich um Dekorationselemente handelt, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen. Bei mir zum Beispiel, um auch mal was Privates öffentlich zu machen, stehen, lehnen und liegen die Bücher nicht nur ganz offen im Regal herum, sondern stapeln sich auch auf Tischen und Fußböden. Sieht fürs wohnzeitschriftengeschulte Auge vielleicht nicht gut aus, ist aber so und geht auch gar nicht anders, weil ich einfach zu viele Bücher habe und dauernd noch welche dazu kommen.
Zurück zu Högl. Der will also um der Einrichtungsmode willen die Bücher im Schrank verstecken. Zu komisch! War nicht mal „Get out of the closet!“ ein wichtiger Slogan der Schwulenbewegung? Dieses „Raus aus dem Schrank“ war Teil des Konzeptes „Macht euer Schwulsein öffentlich!“ Dem scheint Högl ja auch immer noch anzuhängen (sofern es nicht um Bücher geht): „Natürlich habe ich auf meiner Eingangstür einen kleinen Regenbogenaufkleber. Das gehört zu meiner Identität. Aber ich habe den Eindruck, dass man in Wien früher viel mehr Regenbogenfahnen aus den Fenstern und von Balkonen hängen gesehen hat als heute. Auch ich habe damals eine Fahne auf dem Balkon gehabt. Das war immer eine Art Zeichen zu sagen: ‘Seht her, ich bin schwul! Seht her, ich bin lesbisch!’ Irgendwie finde ich schade, dass das zurückgegangen ist. Doch es zeigt auch, dass das Thema in der Gesellschaft selbstverständlicher geworden ist.“
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Integriert euch, aber markiert euch. Was will Högl denn nun? Selbstverständlichkeit oder Auffälligkeit? Beides gleichzeitig geht wohl nur im amerikanischen System der quasi-ethnischen Identitäten, die alle irgendwie gleichberechtigt sind (wobei dieses Irgendwie weder soziale Hegemonie noch praktischen Rassismus ausschließt …), aber eben auch notwendig, um dem Individuum über seine Zugehörigkeit zu einer anerkannten Gruppe oder Untergruppe seine Rechte und Pflichten zuzuweisen.
Huch, das war jetzt wohl zu intellektuell! Rasch zurück in den Schrank damit! — Ich freunde mich gerade mit der Vorstellung an, dass Högels bücherversteckender Bücherschrank geradezu die Metapher für das ist, was nach der Schwulenbewegung und ihren uneingelösten Emanzipationsansprüchen im beginnenden 21. Jahrhundert bei Homo-Vereinsmeiern noch an „Politik“ und Lebensstil übrig geblieben ist: Mode und Schein und eine gewisse Abneigung gegen alles, was Gedanken macht.
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