In einem sozialen Netzwerk schrieb einmal einer: „Erlösung ist ein menschliches Bedürfnis, das man eben nicht der Religion überlassen sollte. (Sage ich als durchaus auch religiöser Mensch). Erlösung ist die Erlösung von, wie Freud sagte, gewöhnlichem Unglück oder auch neurotischem Elend. Es ist das ‘pursuit of happiness’. Damit man am Ende sagen kann: ‘Es war genug, drum nimm, oh Herr, nun meine Seele.’ (Elias-Oratorium) Erlösung ist es, wenn man mit seinen Bedürfnissen gesehen und verstanden wird. Sozialdemokraten müssen hier die säkulare Variante liefern.“ („Luitpolt Sylvester“)
Das klingt beinahe gut, ist aber falsch. Bei Erlösung geht es um etwas anderes. Durchaus um Bedürftigkeit, aber eben um Erlösungsbedürftigkeit. Was heißt das?
Der Mensch ist sündig und lebt unter der Herrschaft der Sünde. Mit anderen Worten: Er tut, was er nicht soll, und lässt, was er tun sollte. Das hat Folgen, für ihn und andere. Und zwar keine guten. Auch das böse Tun und Lassen der anderen hat für ihn Folgen. Ebenfalls keine guten. Auch wenn der Einzelne in aller (persönlichen) Unschuld zur Welt kommt, haben andere längst vor ihm gesündigt, er erbt also von Anfang an die Schulden, die im Lauf der Zeit angehäuft wurden und sich sozusagen verzinst haben. Man könnte auch von Strukturen, Institutionen, Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten reden. Diese übergroße Schuld macht den Menschen von Anfang an zum Schuldner (gegenüber Gott, aber auch seinen Mitschuldnern). Ohne Gottes Gnade wäre er deshalb zum Guten gar nicht fähig, weder es zu erkennen, noch es zu tun, denn die Sünden lasten auf ihm, schwächen ihn und hindern ihn daran, sich Gottes unwiderstehlicher Gnade zu überlassen.
An dieser Stelle nun bietet das Christentum, eine Erzählung, die, wiewohl strikt als Historie zu verstehen, der großartigste Mythos aller Zeiten ist: Um Mensch und Gott zu versöhnen und die Herrschaft der Sünde zu brechen, wird Gott selbst Mensch. Der Sohn Gottes, in allem (außer der Sünde) ein Mensch und zugleich ganz und gar Gott, liefert sich dem sündigen Treiben der Menschen aus, sie verurteilen ihn, den völlig Unschuldigen, und töten ihn. Gott, der Unveränderliche, stirbt nicht, aber der Menschensohn, der ganz Mensch und ganz Gott ist, ist sterblich. Doch das ist nicht das letzte Wort der Geschichte: Jesus Christus besiegt den Tod und steht von den Toten auf. Später fährt er zum Himmel auf, der Sohn kehrt zum Vater zurück, verspricht aber, wiederzukommen und am Ende der Zeiten Gericht zu halten. Die, die Gutes getan und Böses gelassen haben, werden zu ihm in den Himmel kommen, die Bösen in die Hölle. Wahnsinnsstory, oder?
Das Evangelium Jesu ist demnach nicht einfach eine besonders radikale Ethik, auch wenn es das unbedingt auch ist. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst und behandle jeden so, wie du von ihm behandelt werden möchtest, das ist zwar das wichtigste Gebot und die Goldene Regel, also die Grundlage alles ethisch richtigen Verhaltens. Aber Jesus setzt richtiges Verhalten und das Tun von Gottes Willen gleich und fordert: Liebe Gott mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Nur indem der Mensch Gottes Dasein bejaht, sich ihm zuwendet und sich ihm überlässt, in allem Gottes Willen tun will, also die Königsherrschaft Gottes verwirklichen, kann er Gutes tun und Böses lassen. Auf sich allein gestellt, kann er das nicht, weil er, siehe oben, sündig ist und ein Sklave der Sünde.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, heißt es bei Erich Kästner. Das ist richtig. Aber ohne Gottes Gnade kann niemand Gutes tun. Wenn es darum im Matthäusevangelium heißt: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? (…) Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Und andererseits: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. (…) Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Dann also geht es offensichtlich um mehr als ein Sozialprogramm, um die Stillung irdischer Bedürfnisse, dann es geht um die letzen Dinge, um Ewiges.
Denn selbst wenn es den Menschen irgendwann endlich doch gelänge — was unwahrscheinlich ist, aber möglich —, ein Zusammenleben zu gestalten, durch das niemand hungert und dürstet, jeder Kleidung und Obdach hat, jeder bei Krankheit, Unfall und Alter umsorgt wird, niemand einsam sein muss, jeder Zugang zu Bildung und Unterhaltung hat, wenn es also mit einem Wort gelänge, die Grundbedürfnisse zu befriedigen und allen Glück zu ermöglichen, dann wäre damit immer noch nicht das Wesentliche erreicht. Denn immer noch würden die Menschen zum Bösen neigen, immer noch gäbe es Leid und Tod. Und das Leiden und Sterben der Früheren wäre ja auch nicht erledigt und ohne Bedeutung.
Hier kommt nun die Erlösung ins Spiel. Leider hat man aus „Erlösung“ ein Allerweltswort gemacht. „Erlösen“ soll (laut Online-Duden) so viel heißen wie frei machen, aus einer Notlage, von Schmerzen, innerer Bedrängnis, befreien, erretten. Dabei kann jemanden „von seinen Schmerzen erlösen“ sogar einfach bedeuten, ihn umzubringen. Erlösung gilt als besonders eindrucksvolle Rettung oder Befreiung. Das Christentum hingegen unterscheidet seit jeher sehr wohl den „Heiland“ oder Retter (sotér, salvator) vom „Erlöser“ (lytrotés, redemptor), obwohl beide Begriffe sich selbstverständlich auf ein und denselben Jesus Christus beziehen. „Erlösen“ heißt streng genommen nämlich „loskaufen“, „Lösegeld bezahlen“. (Der Online-Duden umschreibt „Erlös“ mit „beim Verkauf einer Sache oder für eine Dienstleistung eingenommener Geldbetrag“.)
Theologisch gesprochen: Durch seinen Sühnetod am Kreuz kaufte der Sohn Gottes die Menschen los von ihren Sünde. Er hat die Menschen ein für allemal befreit, indem er für ihre Schulden mit seinem Leben bezahlte. Mit seiner Auferstehung hat er die Macht der Sünde gebrochen und den Tod, die Folge der Sünde, überwunden. Damit ist der Weg frei für das ewige Leben. Auch für die schon Gestorbenen. Auch sie sind erlöst. Auch ihnen steht der Himmel offen.
Warum aber machen dann die Menschen, sogar die getauften, dann meist einen so wenig erlösten Eindruck? Warum geht es noch so sündig zu in der Welt? War der Tod Gottes etwa umsonst?
Tatsache ist, der Mensch muss die Erlösung annehmen, um an ihr vollen Anteil zu haben. Wer so handelt, als wäre er unfrei, ist unfrei. Erst indem der Mensch umkehrt, sein Kreuz auf sich nimmt und Christus nachfolgt, also Gottes Willen tut, wird er fähig zur Heiligkeit, also zu einem Leben ohne Sünde. Dazu gelangen die wenigsten. Viele wollen es erst gar nicht versuchen. Einige aber doch, nur sind die meisten von uns zu schwach dafür, nämlich nicht zuletzt auch zu schwach dafür, sich der Stärke des Höchsten zu überlassen. Aber versuchen sollte man es. Jeden Tag neu. (Dann werden auch die irdischen Bedürfnisse sehr relativ und Gevatter Tod verliert seinen Schrecken.)
Das klingt beinahe gut, ist aber falsch. Bei Erlösung geht es um etwas anderes. Durchaus um Bedürftigkeit, aber eben um Erlösungsbedürftigkeit. Was heißt das?
Der Mensch ist sündig und lebt unter der Herrschaft der Sünde. Mit anderen Worten: Er tut, was er nicht soll, und lässt, was er tun sollte. Das hat Folgen, für ihn und andere. Und zwar keine guten. Auch das böse Tun und Lassen der anderen hat für ihn Folgen. Ebenfalls keine guten. Auch wenn der Einzelne in aller (persönlichen) Unschuld zur Welt kommt, haben andere längst vor ihm gesündigt, er erbt also von Anfang an die Schulden, die im Lauf der Zeit angehäuft wurden und sich sozusagen verzinst haben. Man könnte auch von Strukturen, Institutionen, Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten reden. Diese übergroße Schuld macht den Menschen von Anfang an zum Schuldner (gegenüber Gott, aber auch seinen Mitschuldnern). Ohne Gottes Gnade wäre er deshalb zum Guten gar nicht fähig, weder es zu erkennen, noch es zu tun, denn die Sünden lasten auf ihm, schwächen ihn und hindern ihn daran, sich Gottes unwiderstehlicher Gnade zu überlassen.
An dieser Stelle nun bietet das Christentum, eine Erzählung, die, wiewohl strikt als Historie zu verstehen, der großartigste Mythos aller Zeiten ist: Um Mensch und Gott zu versöhnen und die Herrschaft der Sünde zu brechen, wird Gott selbst Mensch. Der Sohn Gottes, in allem (außer der Sünde) ein Mensch und zugleich ganz und gar Gott, liefert sich dem sündigen Treiben der Menschen aus, sie verurteilen ihn, den völlig Unschuldigen, und töten ihn. Gott, der Unveränderliche, stirbt nicht, aber der Menschensohn, der ganz Mensch und ganz Gott ist, ist sterblich. Doch das ist nicht das letzte Wort der Geschichte: Jesus Christus besiegt den Tod und steht von den Toten auf. Später fährt er zum Himmel auf, der Sohn kehrt zum Vater zurück, verspricht aber, wiederzukommen und am Ende der Zeiten Gericht zu halten. Die, die Gutes getan und Böses gelassen haben, werden zu ihm in den Himmel kommen, die Bösen in die Hölle. Wahnsinnsstory, oder?
Das Evangelium Jesu ist demnach nicht einfach eine besonders radikale Ethik, auch wenn es das unbedingt auch ist. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst und behandle jeden so, wie du von ihm behandelt werden möchtest, das ist zwar das wichtigste Gebot und die Goldene Regel, also die Grundlage alles ethisch richtigen Verhaltens. Aber Jesus setzt richtiges Verhalten und das Tun von Gottes Willen gleich und fordert: Liebe Gott mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Nur indem der Mensch Gottes Dasein bejaht, sich ihm zuwendet und sich ihm überlässt, in allem Gottes Willen tun will, also die Königsherrschaft Gottes verwirklichen, kann er Gutes tun und Böses lassen. Auf sich allein gestellt, kann er das nicht, weil er, siehe oben, sündig ist und ein Sklave der Sünde.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, heißt es bei Erich Kästner. Das ist richtig. Aber ohne Gottes Gnade kann niemand Gutes tun. Wenn es darum im Matthäusevangelium heißt: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? (…) Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Und andererseits: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. (…) Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Dann also geht es offensichtlich um mehr als ein Sozialprogramm, um die Stillung irdischer Bedürfnisse, dann es geht um die letzen Dinge, um Ewiges.
Denn selbst wenn es den Menschen irgendwann endlich doch gelänge — was unwahrscheinlich ist, aber möglich —, ein Zusammenleben zu gestalten, durch das niemand hungert und dürstet, jeder Kleidung und Obdach hat, jeder bei Krankheit, Unfall und Alter umsorgt wird, niemand einsam sein muss, jeder Zugang zu Bildung und Unterhaltung hat, wenn es also mit einem Wort gelänge, die Grundbedürfnisse zu befriedigen und allen Glück zu ermöglichen, dann wäre damit immer noch nicht das Wesentliche erreicht. Denn immer noch würden die Menschen zum Bösen neigen, immer noch gäbe es Leid und Tod. Und das Leiden und Sterben der Früheren wäre ja auch nicht erledigt und ohne Bedeutung.
Hier kommt nun die Erlösung ins Spiel. Leider hat man aus „Erlösung“ ein Allerweltswort gemacht. „Erlösen“ soll (laut Online-Duden) so viel heißen wie frei machen, aus einer Notlage, von Schmerzen, innerer Bedrängnis, befreien, erretten. Dabei kann jemanden „von seinen Schmerzen erlösen“ sogar einfach bedeuten, ihn umzubringen. Erlösung gilt als besonders eindrucksvolle Rettung oder Befreiung. Das Christentum hingegen unterscheidet seit jeher sehr wohl den „Heiland“ oder Retter (sotér, salvator) vom „Erlöser“ (lytrotés, redemptor), obwohl beide Begriffe sich selbstverständlich auf ein und denselben Jesus Christus beziehen. „Erlösen“ heißt streng genommen nämlich „loskaufen“, „Lösegeld bezahlen“. (Der Online-Duden umschreibt „Erlös“ mit „beim Verkauf einer Sache oder für eine Dienstleistung eingenommener Geldbetrag“.)
Theologisch gesprochen: Durch seinen Sühnetod am Kreuz kaufte der Sohn Gottes die Menschen los von ihren Sünde. Er hat die Menschen ein für allemal befreit, indem er für ihre Schulden mit seinem Leben bezahlte. Mit seiner Auferstehung hat er die Macht der Sünde gebrochen und den Tod, die Folge der Sünde, überwunden. Damit ist der Weg frei für das ewige Leben. Auch für die schon Gestorbenen. Auch sie sind erlöst. Auch ihnen steht der Himmel offen.
Warum aber machen dann die Menschen, sogar die getauften, dann meist einen so wenig erlösten Eindruck? Warum geht es noch so sündig zu in der Welt? War der Tod Gottes etwa umsonst?
Tatsache ist, der Mensch muss die Erlösung annehmen, um an ihr vollen Anteil zu haben. Wer so handelt, als wäre er unfrei, ist unfrei. Erst indem der Mensch umkehrt, sein Kreuz auf sich nimmt und Christus nachfolgt, also Gottes Willen tut, wird er fähig zur Heiligkeit, also zu einem Leben ohne Sünde. Dazu gelangen die wenigsten. Viele wollen es erst gar nicht versuchen. Einige aber doch, nur sind die meisten von uns zu schwach dafür, nämlich nicht zuletzt auch zu schwach dafür, sich der Stärke des Höchsten zu überlassen. Aber versuchen sollte man es. Jeden Tag neu. (Dann werden auch die irdischen Bedürfnisse sehr relativ und Gevatter Tod verliert seinen Schrecken.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen