Man wolle nicht Partei ergreifen. Man könne nicht Partei ergreifen Man dürfe nicht Partei ergreifen. Irgendwie hätten beide Seiten Recht. Irgendwie hätten beide Seiten Unrecht. Einerseits, andererseits.
Einer schreibt sogar, er schaffe es nicht, ohne schlechtes Gewissen Partei zu ergreifen, und setzt neckisch hinzu, es verunsichere ihn bereits, wenn er jemanden sagen höre, was er selbst bis zu diesem Moment gedacht habe.
Nun mag es tatsächlich Konflikte geben, die völlig symmetrisch sind und bei denen beide Konfliktparteien gleichermaßen im Recht und im Unrecht sind. Die meisten Auseinandersetzungen aber sind nicht von dieser Art. Für gewöhnlich lässt sich erkennen, wessen Verhalten den Konflikt verursacht hat, mehr Leid und Zerstörung hervorruft, eher zur Konfliktbeendigung beiträgt oder diese verhindert.
Selbstverständlich kann es schwierig sein, bestimmte Sachfragen zu entscheiden. Da mag manches vorübergehend oder dauerhaft untentschieden bleiben. Doch wenn es um ethische Dilemmata geht, gibt es für gewöhnlich keine Neutralität. Was wahr und was falsch ist, mag sich unserer Kenntnis entziehen, wir müssen es nicht immer wissen. Was aber gerecht oder ungerecht ist, böse oder gut, das zu entscheiden duldet keinen anhaltenden Aufschub, das kann uns nicht egal sein — und tatsächlich gibt es in den meisten Situationen eine moralische Intuition; ob dieser zu folgen, wie sie zu kritisieren oder was die Alternative ist, gilt es durch Reflexion zu klären.
In der Ethik gibt es keine Indifferenz. Diese wäre bereits Parteinahme, nämlich für die Seite des Schlechten. Denn zu sagen, dass „gut“ und „schlecht“ gleich seien, dass also das Schlechte im Unterschied zum Guten nicht schlecht und das Gute im Unterschied zum Schlechten nicht gut sei, das ist unwahr und also schlecht. Aus dieser Notwendigkeit, ethisch relevante Unterschiede zu machen (erlebe man das nun als Zwang oder als Gnade), kann man sich nicht heraushalten.
Es ist einfach so: Wenn Menschen aneinander handeln und einander Schaden zufügen, ziehen sie jeden mit hinein und sei es nur durch die Unerlässlichkeit einer Stellungnahme. Wenn vor deinen Augen einer einen anderen zusammenschlägt, und du greifst nicht ein, rufst nicht um Hilfe oder zeigst den Täter nicht wenigstens hinterher an, dann stellst du dich auf die Seite des Schlagenden und hast Partei gegen den Geschlagenen ergriffen.
Allerdings folgt aus der ethisch betrachtet allein zulässigen Parteinahme für die Geschlagenen, Beschädigten, Unterdrückten dieser Welt, für die, die in Hunger und Elend leben, die an Mangel, vermeidbaren Krankheiten und in Kriegen sterben, denen man Bildung, Freizügigkeit, Lebensglück und alles mögliche andere vorenthält — aus dieser Parteinahme also folgt nicht, dass die, für die man Partei ergreift, immer alles richtig machen und man alles billigt, was sie getan haben, tun oder zu tun vorhaben.
Ethisch begründete Parteinahme suspendiert gerade nicht das ethische Urteil, sie setzt es voraus, setzt es ins Recht und verpflichtet es zur ständigen Überprüfung. Es mag ja sein, dass man sich unsicher ist und lieber nicht urteilt, als falsch zu urteilen. Das ist lobenswert. Wer sich aber gar nicht bemüht, die Unsicherheit zu überwinden, sondern sich in ihr einrichtet, weil es es bequemer ist, die Unterscheidung zu unterlassen, als für sie den Kopf hinzuhalten, handelt falsch.
Ich selbst mag den Ausdruck „Urteil“ übrigens nicht besonders, er trägt ins Ethische (und Ästhetische) etwas Juristisches hinein, das dort nicht hingehört. Ich zöge den Ausdruck „Entscheidung“ vor, wenn dieser nicht wiederum etwas so Willkürlich-Selbstherrliches hätte. Es geht aber nicht um Setzung, es geht um Einsicht, um Kriterien, die man anerkennt und anwendet, um praktische Folgen aus theoretischen Schlüssen. Soll man statt „Urteil“ lieber „Entscheidungsfindung“ sagen? Dann doch lieber gleich Parteinahme, unter der Voraussetzung, dass diese nicht willkürlich, nicht blind, nicht unbedacht, sondern eben ethisch ist: Behandle jeden so, wie du von ihm behandelt werden möchtest. Wer nicht richtig handeln will, macht bereits etwas falsch.
Darum gilt: Wer mit schlechtem Gewissen Partei ergreift, soll es besser bleiben lassen und erst einmal sein Gewissen erforschen. Wessen Gewissen ihm grundsätzlich nicht erlaubt, Partei zu ergreifen, also Recht Recht zu nennen und Unrecht Unrecht, der sollte besonders gründlich forschen, denn mit seinem Gewissen kann etwas nicht stimmen. Vielleicht ist es gar nicht das Gewissen, das da mit ihm spricht, sondern bloß die Angst, Verantwortung übernehmen zu müssen, sich verantwortlich zu wissen für die Mitmenschen und ihr Tun und Lassen.
Große Worte? Große Worte. Manchmal tun’s kleine nicht. Wenn es um Leben und Tod geht, um Freiheit oder Repression, um Anstand oder Verachtenswertes. Dann kann man nicht so tun, als könne man bloß zuschauen, abwägen, sich eines Urteils (und sei es nur ein vorläufiges, die eigene Endlichkeit und Anfälligkeit für Irrtum und Täuschung berücksichtigendes) enthalten. Wer nicht Partei ergreift, wo Parteinahme gefordert ist — nicht von den Parteien, sondern von der Sache! —, der hat schon Partei ergriffen. Wer nicht für das Gute, Wahre und Schöne eintritt, gibt dem Bösen, der Lüge, der Missstand Raum. Wer nicht bereit ist, Recht Recht zu nennen und Unrecht Unrecht, der hilft mit, dass Unrecht Recht verdrängt.
Ich will das nicht. Ich bringe das nicht über mich. Und ich bin überzeugt, dass das auch kein anderer wollen oder können soll.
Einer schreibt sogar, er schaffe es nicht, ohne schlechtes Gewissen Partei zu ergreifen, und setzt neckisch hinzu, es verunsichere ihn bereits, wenn er jemanden sagen höre, was er selbst bis zu diesem Moment gedacht habe.
Nun mag es tatsächlich Konflikte geben, die völlig symmetrisch sind und bei denen beide Konfliktparteien gleichermaßen im Recht und im Unrecht sind. Die meisten Auseinandersetzungen aber sind nicht von dieser Art. Für gewöhnlich lässt sich erkennen, wessen Verhalten den Konflikt verursacht hat, mehr Leid und Zerstörung hervorruft, eher zur Konfliktbeendigung beiträgt oder diese verhindert.
Selbstverständlich kann es schwierig sein, bestimmte Sachfragen zu entscheiden. Da mag manches vorübergehend oder dauerhaft untentschieden bleiben. Doch wenn es um ethische Dilemmata geht, gibt es für gewöhnlich keine Neutralität. Was wahr und was falsch ist, mag sich unserer Kenntnis entziehen, wir müssen es nicht immer wissen. Was aber gerecht oder ungerecht ist, böse oder gut, das zu entscheiden duldet keinen anhaltenden Aufschub, das kann uns nicht egal sein — und tatsächlich gibt es in den meisten Situationen eine moralische Intuition; ob dieser zu folgen, wie sie zu kritisieren oder was die Alternative ist, gilt es durch Reflexion zu klären.
In der Ethik gibt es keine Indifferenz. Diese wäre bereits Parteinahme, nämlich für die Seite des Schlechten. Denn zu sagen, dass „gut“ und „schlecht“ gleich seien, dass also das Schlechte im Unterschied zum Guten nicht schlecht und das Gute im Unterschied zum Schlechten nicht gut sei, das ist unwahr und also schlecht. Aus dieser Notwendigkeit, ethisch relevante Unterschiede zu machen (erlebe man das nun als Zwang oder als Gnade), kann man sich nicht heraushalten.
Es ist einfach so: Wenn Menschen aneinander handeln und einander Schaden zufügen, ziehen sie jeden mit hinein und sei es nur durch die Unerlässlichkeit einer Stellungnahme. Wenn vor deinen Augen einer einen anderen zusammenschlägt, und du greifst nicht ein, rufst nicht um Hilfe oder zeigst den Täter nicht wenigstens hinterher an, dann stellst du dich auf die Seite des Schlagenden und hast Partei gegen den Geschlagenen ergriffen.
Allerdings folgt aus der ethisch betrachtet allein zulässigen Parteinahme für die Geschlagenen, Beschädigten, Unterdrückten dieser Welt, für die, die in Hunger und Elend leben, die an Mangel, vermeidbaren Krankheiten und in Kriegen sterben, denen man Bildung, Freizügigkeit, Lebensglück und alles mögliche andere vorenthält — aus dieser Parteinahme also folgt nicht, dass die, für die man Partei ergreift, immer alles richtig machen und man alles billigt, was sie getan haben, tun oder zu tun vorhaben.
Ethisch begründete Parteinahme suspendiert gerade nicht das ethische Urteil, sie setzt es voraus, setzt es ins Recht und verpflichtet es zur ständigen Überprüfung. Es mag ja sein, dass man sich unsicher ist und lieber nicht urteilt, als falsch zu urteilen. Das ist lobenswert. Wer sich aber gar nicht bemüht, die Unsicherheit zu überwinden, sondern sich in ihr einrichtet, weil es es bequemer ist, die Unterscheidung zu unterlassen, als für sie den Kopf hinzuhalten, handelt falsch.
Ich selbst mag den Ausdruck „Urteil“ übrigens nicht besonders, er trägt ins Ethische (und Ästhetische) etwas Juristisches hinein, das dort nicht hingehört. Ich zöge den Ausdruck „Entscheidung“ vor, wenn dieser nicht wiederum etwas so Willkürlich-Selbstherrliches hätte. Es geht aber nicht um Setzung, es geht um Einsicht, um Kriterien, die man anerkennt und anwendet, um praktische Folgen aus theoretischen Schlüssen. Soll man statt „Urteil“ lieber „Entscheidungsfindung“ sagen? Dann doch lieber gleich Parteinahme, unter der Voraussetzung, dass diese nicht willkürlich, nicht blind, nicht unbedacht, sondern eben ethisch ist: Behandle jeden so, wie du von ihm behandelt werden möchtest. Wer nicht richtig handeln will, macht bereits etwas falsch.
Darum gilt: Wer mit schlechtem Gewissen Partei ergreift, soll es besser bleiben lassen und erst einmal sein Gewissen erforschen. Wessen Gewissen ihm grundsätzlich nicht erlaubt, Partei zu ergreifen, also Recht Recht zu nennen und Unrecht Unrecht, der sollte besonders gründlich forschen, denn mit seinem Gewissen kann etwas nicht stimmen. Vielleicht ist es gar nicht das Gewissen, das da mit ihm spricht, sondern bloß die Angst, Verantwortung übernehmen zu müssen, sich verantwortlich zu wissen für die Mitmenschen und ihr Tun und Lassen.
Große Worte? Große Worte. Manchmal tun’s kleine nicht. Wenn es um Leben und Tod geht, um Freiheit oder Repression, um Anstand oder Verachtenswertes. Dann kann man nicht so tun, als könne man bloß zuschauen, abwägen, sich eines Urteils (und sei es nur ein vorläufiges, die eigene Endlichkeit und Anfälligkeit für Irrtum und Täuschung berücksichtigendes) enthalten. Wer nicht Partei ergreift, wo Parteinahme gefordert ist — nicht von den Parteien, sondern von der Sache! —, der hat schon Partei ergriffen. Wer nicht für das Gute, Wahre und Schöne eintritt, gibt dem Bösen, der Lüge, der Missstand Raum. Wer nicht bereit ist, Recht Recht zu nennen und Unrecht Unrecht, der hilft mit, dass Unrecht Recht verdrängt.
Ich will das nicht. Ich bringe das nicht über mich. Und ich bin überzeugt, dass das auch kein anderer wollen oder können soll.
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