Hundert Mann und ein Befehl: Wie Agenturmeldungen entnommen werden kann, haben sich im Drecksblatt „Bild am Sonntag“ 100 „führende Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport“ virtuell zusammengerottet, um die Freilassung zweier im Iran inhaftierter „Reporter“ zu fordern. Unter den Unterschreibern findet sich das übliche Gesindel: Politiker, die dem von den Boulevardmedien bearbeiteten Pöbel schmeicheln wollen (Leyen, Schäuble, Guttenberg, Gabriel, Trittin, Gysi), Wirtschaftsführer (Ackermann, Zetsche, Reithofer, Obermann, Burda), Arbeiterführer (Sommer), Unterhaltungsfuzzis (Jauch, Lindenberg, Ferres, Biermann) und andere Armleuchter (Becker, Messner). Dass sich auch die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zur Unterschrift hat bewegen lassen, spricht wieder einmal gegen ihr Urteilsvermögen.
Was mich betrifft, so ich bin keineswegs für die Freilassung dieser Leute. Im Gegenteil, ich bin eher dafür, dass man überall auf der Welt Zuträger und Zuträgerinnen von „Bild“ und anderem Schund wegsperrt und den Schlüssel wegwirft. Das dazu.
Gewiss, Pressfreiheit ist ein hohes Gut. Aber das hat mit „Bild“, „Bild am Sontag“ und anderen Hervorbringungen, die Woche für Woche, Tag für Tag, Millionen Menschen verdummen und desinformieren, nichts zu tun. Wer für diese obszönen Unternehmen arbeitet, verdient keinerlei Solidarität halbwegs anständiger Menschen. Sich als „Bild“-Reporter in den Iran einzuschleichen, hat mit investigativem Journalismus nichts zu tun, sondern ist ein schmutziges Geschäft, das diesmal halt schiefgegangen ist. Die Praktiken der Springer-, Burda- und Wasweißich-Presse sind von der Pressefreiheit so wenig gedeckt, wie es das Recht auf Nahrung erlauben würde, Menschen systematisch zu vergiften.
Im Übrigen handelt es sich bei dem angeblichen Einsatz für Pressefreiheit und Menschenrechte — die den jetzt so aufrichtig protestierenden Promis ansonsten in Dutzenden und Hunderten anderen Fällen herzlich egal sind — nur um einen weiteren Versuch, den Iran zu diskreditieren. Ich behaupte zwar keineswegs, dass dort alles in schönster Ordnung wäre und dass dort gar Demokratie und Rechtsstaat Triumphe feierten, aber das tun sie anderswo auch nicht, in China oder Saudi-Arabien zu Beispiel, doch deren verbrecherischen Regimes kriecht man ja auch aus lauter Profitgeilheit tief in den Arsch. Aber dem Iran gegenüber liebäugelt man hingegen bekanntlich mit Krieg. Auf dessen symbolische Legimtimierung schon jetzt einzustimmen (vor zehn Jahre lautete das Signalwort „Massenvernichtungswaffen“, heute heißt es „umstrittenes Atomprogramm“), dienen auch solche Propagandakampagnen wie die jetzige rund um eine zur Steinigung verurteilte Ehebrecherin. Für die werde ich mich, als Medienkonsument und Textproduzent, sicher nicht einspannen lassen.
Und noch eins. Ich bin gegen die Todesstrafe. Also bin ich auch nicht dafür, dass Sakine Mohamnadi Ashtiani gesteinigt wird. Ich weiß aber nichts dagegen einzuwenden, dass sie wegen Ehebruchs verurteilt wurde. Diese westliche Arroganz, mit der ein Gesetzesverstoß, der bis vor einiger Zeit auch in vielen westlichen Ländern noch einer war (und dessen Sanktionierung durch Steinewerfen nicht zuletzt auf die Torah zurückgeht; Stichwort „jüdisch-christliche Grundlagen“), dass also „Ehebruch“ regelmäßig in Gänsefüßchen gesetzt wird, um anzuzeigen, dass Sex außerhalb der Ehe doch weißgott kein Verbrechen sein könne, widert mich an. Im Übrigen wurde die Ashtiani nicht bloß wegen Ehebruchs verurteilt, sondern auch, weil sie bei der Ermordung ihres Ehemannes mitgeholfen haben soll. Wollen sich die Frauenrechtlerinnen beiderlei Geschlechts das auch schönreden?
Ich gestehe zu, ich bin weder Jurist noch war ich beim Prozess oder gar der Tat vor Ort. Ich weiß also nicht, ob Frau Ashtiani schuldig ist oder nicht. (Ihr eigener Sohn sagt ja. Und ihr Geständnis liegt sowieso vor.) Aber ein Gerichtsverfahren nur deshalb für verfehlt zu halten, weil es im Iran stattfindet, leuchtet mir nicht ein. Generell ist ja der westliche Berichterstattung über den Iran sehr zu misstrauen. Wer etwa je die Wiedergabe von Reden Präsident Ahmnadinedschads in den deutschen Fernsehnachrichten mit Übersetzungen derselben Reden ins Englische verglichen hat, wie sie im Internet zu finden sind (zum Teil auf offiziellen Seiten), wird überrascht gewesen sein. Von der angeblichen Holocaustleugnung und vom angeblichen Antisemitismus bleibt dann nicht viel mehr übrig als eine besonders scharfe Gegenerschaft gegenüber Politik des Staates Israel.
Auch jetzt wieder treten merkwürdige Übersetzungsschwierigkeiten auf. Anscheind kann kein westlicher Journalist Persisch. (Ich ja zugegebenermaßen auch nicht. Und die Exilperser erzählen traditionellerweise sowieso nur Märchen.) Was also hat Frau Ashtiani bei der Pressekoferenz am Samstag nun wirklich gesagt? Sagte sie: „Ich habe eine Beschwerde über die beiden Deutschen, die mich beschämt haben. Warum sind sie hier hergekommen? Warum sind sie gekommen und haben sich als Journalisten ausgegeben?“ Oder sagte sie, sie wolle sie verklagen? Sie und die Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi. (Die übrigens seit September arbeitslos sein dürfte, da damals die Steinigung von den Behörden ausgesetzt wurde.) Beschweren oder verklagen, das ist schon ein Unterschied, oder? Die Begründung mag dieselbe sein: Viele Menschen hätten ihren Fall ausgebeutet und behauptet, sie sei gefoltert worden, was aber erlogen sei. Damit sei Schande über sie und ihr Land gebracht worden.
Das ist nun wirklich nicht das, was man im Westen hören möchte. Ein „Opfer“, das, wenn zu Recht verurteilt, gar keines ist, erklärt sich und ihr Land zu Opfern westlichen Intrigenspiels. Und beschwert sich noch dazu über gerade jene Heroen der Pressefreiheit, die 100 deutsche Prominente gerade moralisch freipressen wollen. Ist das der Dank?
Wohlgemerkt, es geht mir nicht darum, die iranischen Verhältnisse in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Aber das bedeutet für mich nicht, dass die Kritik an ihnen mit der Zustimmung zu rassistischem Vorurteil, modernistischer Überheblichkeit und imperialistischem Wahn zusammenfallen muss.
Was mich betrifft, so ich bin keineswegs für die Freilassung dieser Leute. Im Gegenteil, ich bin eher dafür, dass man überall auf der Welt Zuträger und Zuträgerinnen von „Bild“ und anderem Schund wegsperrt und den Schlüssel wegwirft. Das dazu.
Gewiss, Pressfreiheit ist ein hohes Gut. Aber das hat mit „Bild“, „Bild am Sontag“ und anderen Hervorbringungen, die Woche für Woche, Tag für Tag, Millionen Menschen verdummen und desinformieren, nichts zu tun. Wer für diese obszönen Unternehmen arbeitet, verdient keinerlei Solidarität halbwegs anständiger Menschen. Sich als „Bild“-Reporter in den Iran einzuschleichen, hat mit investigativem Journalismus nichts zu tun, sondern ist ein schmutziges Geschäft, das diesmal halt schiefgegangen ist. Die Praktiken der Springer-, Burda- und Wasweißich-Presse sind von der Pressefreiheit so wenig gedeckt, wie es das Recht auf Nahrung erlauben würde, Menschen systematisch zu vergiften.
Im Übrigen handelt es sich bei dem angeblichen Einsatz für Pressefreiheit und Menschenrechte — die den jetzt so aufrichtig protestierenden Promis ansonsten in Dutzenden und Hunderten anderen Fällen herzlich egal sind — nur um einen weiteren Versuch, den Iran zu diskreditieren. Ich behaupte zwar keineswegs, dass dort alles in schönster Ordnung wäre und dass dort gar Demokratie und Rechtsstaat Triumphe feierten, aber das tun sie anderswo auch nicht, in China oder Saudi-Arabien zu Beispiel, doch deren verbrecherischen Regimes kriecht man ja auch aus lauter Profitgeilheit tief in den Arsch. Aber dem Iran gegenüber liebäugelt man hingegen bekanntlich mit Krieg. Auf dessen symbolische Legimtimierung schon jetzt einzustimmen (vor zehn Jahre lautete das Signalwort „Massenvernichtungswaffen“, heute heißt es „umstrittenes Atomprogramm“), dienen auch solche Propagandakampagnen wie die jetzige rund um eine zur Steinigung verurteilte Ehebrecherin. Für die werde ich mich, als Medienkonsument und Textproduzent, sicher nicht einspannen lassen.
Und noch eins. Ich bin gegen die Todesstrafe. Also bin ich auch nicht dafür, dass Sakine Mohamnadi Ashtiani gesteinigt wird. Ich weiß aber nichts dagegen einzuwenden, dass sie wegen Ehebruchs verurteilt wurde. Diese westliche Arroganz, mit der ein Gesetzesverstoß, der bis vor einiger Zeit auch in vielen westlichen Ländern noch einer war (und dessen Sanktionierung durch Steinewerfen nicht zuletzt auf die Torah zurückgeht; Stichwort „jüdisch-christliche Grundlagen“), dass also „Ehebruch“ regelmäßig in Gänsefüßchen gesetzt wird, um anzuzeigen, dass Sex außerhalb der Ehe doch weißgott kein Verbrechen sein könne, widert mich an. Im Übrigen wurde die Ashtiani nicht bloß wegen Ehebruchs verurteilt, sondern auch, weil sie bei der Ermordung ihres Ehemannes mitgeholfen haben soll. Wollen sich die Frauenrechtlerinnen beiderlei Geschlechts das auch schönreden?
Ich gestehe zu, ich bin weder Jurist noch war ich beim Prozess oder gar der Tat vor Ort. Ich weiß also nicht, ob Frau Ashtiani schuldig ist oder nicht. (Ihr eigener Sohn sagt ja. Und ihr Geständnis liegt sowieso vor.) Aber ein Gerichtsverfahren nur deshalb für verfehlt zu halten, weil es im Iran stattfindet, leuchtet mir nicht ein. Generell ist ja der westliche Berichterstattung über den Iran sehr zu misstrauen. Wer etwa je die Wiedergabe von Reden Präsident Ahmnadinedschads in den deutschen Fernsehnachrichten mit Übersetzungen derselben Reden ins Englische verglichen hat, wie sie im Internet zu finden sind (zum Teil auf offiziellen Seiten), wird überrascht gewesen sein. Von der angeblichen Holocaustleugnung und vom angeblichen Antisemitismus bleibt dann nicht viel mehr übrig als eine besonders scharfe Gegenerschaft gegenüber Politik des Staates Israel.
Auch jetzt wieder treten merkwürdige Übersetzungsschwierigkeiten auf. Anscheind kann kein westlicher Journalist Persisch. (Ich ja zugegebenermaßen auch nicht. Und die Exilperser erzählen traditionellerweise sowieso nur Märchen.) Was also hat Frau Ashtiani bei der Pressekoferenz am Samstag nun wirklich gesagt? Sagte sie: „Ich habe eine Beschwerde über die beiden Deutschen, die mich beschämt haben. Warum sind sie hier hergekommen? Warum sind sie gekommen und haben sich als Journalisten ausgegeben?“ Oder sagte sie, sie wolle sie verklagen? Sie und die Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi. (Die übrigens seit September arbeitslos sein dürfte, da damals die Steinigung von den Behörden ausgesetzt wurde.) Beschweren oder verklagen, das ist schon ein Unterschied, oder? Die Begründung mag dieselbe sein: Viele Menschen hätten ihren Fall ausgebeutet und behauptet, sie sei gefoltert worden, was aber erlogen sei. Damit sei Schande über sie und ihr Land gebracht worden.
Das ist nun wirklich nicht das, was man im Westen hören möchte. Ein „Opfer“, das, wenn zu Recht verurteilt, gar keines ist, erklärt sich und ihr Land zu Opfern westlichen Intrigenspiels. Und beschwert sich noch dazu über gerade jene Heroen der Pressefreiheit, die 100 deutsche Prominente gerade moralisch freipressen wollen. Ist das der Dank?
Wohlgemerkt, es geht mir nicht darum, die iranischen Verhältnisse in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Aber das bedeutet für mich nicht, dass die Kritik an ihnen mit der Zustimmung zu rassistischem Vorurteil, modernistischer Überheblichkeit und imperialistischem Wahn zusammenfallen muss.
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