Mittwoch, 24. August 2011

Loriot post mortem

Nein, ich werde ihn nicht vermissen Wie auch? Ich kannte Herrn von Bülow doch gar nicht persönlich. Und sein Werk, das er unter dem Künstlernamen Loriot geschaffen hat, all die Zeichnungen und Texte, die vielen Fernsehsendungen und die beiden Kinofilme, sein Werk also ist doch nach wie vor gut konserviert und leicht zugänglich und wird mit Sicherheit bleiben, vielleicht nicht in alle Ewigkeit, aber doch so lange, wie es noch Menschen gibt, die darüber lachen könne. (Und wenn die einmal nicht mehr geben sollte, bin ich zum Glück schon lange tot.)
Wenn es nun also Leute gibt, die aus Anlass des Todes Vicco von Bülows davon schwafeln, Loriot fehle ihnen jetzt schon, dann verstehe ich das nicht. Es scheint sich mir da zu viel eingebildete Vertrautheit mit einer Person und ihrem Lebenswerk zu verraten. Das bereitet mir Unbehagen. Und noch unbehaglicher wird mir, wenn die wie Pilze nach dem Regen allerorts aus dem Boden schießenden Nachrufe und Würdigungen ganz selbstverständlich nur Gutes zu vermelden wissen. Gewiss, auch ich stehe nicht an zuzugeben, dass Loriot in Wort und Bild der wohl bedeutendste Humorist seit Wilhelm Busch war. Aber wenn es über einen, der nicht durch bloßen Klamauk, sondern durch auf scharfe Beobachtung gegründete Überzeichnung wirklicher Verhaltensweisen zum Lachen bringen wollte (und brachte und bringt und bringen wird), nichts zu vermelden gibt, was man „kritisch“ nennen könnte, sondern wenn alle nur voll des Lobes und der dankbaren Freude sind, dann — was bin ich nur für ein Spielverderber! — kommen mir arge Bedenken.
Loriot hielt den Deutschen einen Spiegel vor. Sie sahen hinein, erkannten sich wieder und amüsierten sich. Nur leicht, nur bis zur Kenntlichkeit und der Herausarbeitung ihrer Komik verzerrte Loriot typische Unsitten des deutschen Sprachgebrauchs und der deutschen Umgangsformen. Sein Humor war nie böse, nie bitter, nie schmutzig, nie unangenehm. Vom Kleinkind bis zur Oma kann jeder an Loriot Gefallen finden. Und tatsächlich tut es ja auch jeder.
Oft wird die Präzision von Loriots Arbeitsweise gerühmt. Er habe genaue Vorstellungen von dem gehabt, was er machen wollte, und sei, gerade auch in der Zusammenarbeit mit anderen, unbedingt bestrebt gewesen, diese Vorstellungen abstrich- und zusatzlos umzusetzen. Preußentum und Protestantismus fallen mir da als Stichwörter ein. Spontaneität gibt es bei Loriot nicht. Absurdes und Anarchisches werden nur gestreift, sie würzen sozusagen nur in Maßen die Biederkeit, die eben nicht nur Gegenstand der Belustigung, sondern auch Mittel der Darstellung ist.
Mit anderen Worten: Loriots Humor ist affirmativ. Er bildet nur abstrakt ab, was ohnehin schon existiert. Er überschreitet weder die Grenzen des Geschmacks, noch des Anstandes, noch der breitest möglichen Konsumierbarkeit. Darum ist die Marke Loriot so populär.
Die Frage ist freilich, ob man es einem Humoristen vorwerfen soll, dass er die Leute nur über ihre eigenen Unzulänglichkeiten zum Lachen bringen wollte und sie nicht, vielleicht durch ein im Halse stecken bleibendes Lachen, dazu herausfordern wollte, sich und die Verhältnisse, in den sie leben, zu überdenken und letztlich gar zu ändern. Können Scherz, Satire und Ironie das überhaupt: die Menschen beeinflussen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, das ich gerne über Loriotsche Sachen lache und mir trotzdem meist wünsche, dass das, was da in lustiger Verfremdung vorgeführt wird, keine Realität zur Grundlage hätte, die alles andere als spaßig ist.

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