Donnerstag, 16. Januar 2025
Aufgeschnappt (bei Pasolini)
Mittwoch, 15. Januar 2025
Charakterstudie (3)
Dienstag, 14. Januar 2025
Charakterstudie (2)
Charakterstudie (1)
Der dort genießt seine Freiheiten nicht. Sie bereiten ihm vielmehr Unbehagen. Er wüsste immer gern, was er zu tun hat, ohne sich entscheiden zu müssen. Zwar mag er es nicht, wenn man ihm etwas vorschreibt, da wird er oft bockig, aber er nähme gern hin, was einfach sein muss. So aber verweigert er sich vielem. Eben deshalb, weil er sich nicht entscheiden müssen möchte. Dann lieber verzichten. Dass er unglücklich ist, weil er sich nie für etwas entscheiden konnte, was ihn vielleicht glücklich gemacht hätte, weiß er selbst und gerade darum verabscheut er ja das Entscheidenmüssen. Keine Wahl zu haben, kommt ihm besser vor, als etwas zu wählen, womit es dann vermutlich doch nichts ist. So vergehen ihm die Tage seit vielen Jahren. Am Ende wird er tot sein, das immerhin ist unvermeidlich, tröstet ihn aber auch nicht.
Montag, 13. Januar 2025
Balken & Splitter (110)
Sonntag, 5. Januar 2025
Balken & Splitter (109)
Demokratischer Fatalismus
Nicht die Regierung ist in einer Demokratie das Problem, sondern die Teile der Bevölkerung, die diese Regierung herbeiführen, zulassen und ertragen. In Österreich breitet sich immer mehr eine Art Sekundärpopulismus aus, bei dem man die FPÖ vielleicht nicht direkt wählt, aber sagt: Na, dann soll der Kickl halt Bundeskanzler werden und zeigen, was er kann.
Diese Entzauberungshypothese mit der impliziten Bezauberungshoffnung ist fatal. Derlei hat ja bekanntlich 1933 auch schon gut geklappt. Lassen wir die Nazis mal regieren, die „Konservativen“ (heute: neoliberalen Reaktionäre) passen eh auf, so schlimm wird’s schon nicht werden. Und 1945 war dann plötzlich keiner mehr schuld am Desaster.
Die FPÖ wird von weniger als einem Drittel der Wahlberechtigten gewählt, Mehr als zwei Drittel wählen die FPÖ also nicht. Wie ergibt sich da ein Regierungauftrag, gar ein quasi natürlicher Regierungsanspruch.
Wie kann man ― mit Putin, Trump, Millei, Orbán, Fico usw. vor Augen ― eine Regierungsbeteiligung oder sogar Regierungsführung der Rechtpopulisten ernstlich in Betracht ziehen? Ist das der typisch österreichische Fatalismus: „Es kommt eh, wie’s kommt, und es kommt nichts Besseres nach“? Oder einfach maßlose Dummheit (was auch typisch österreichisch wäre)? Oder aber eben eine Sympathie mit dem Diabolischen, ein Liebäugeln mit Hass, Ressentiment, Rassismus, Soziopathie usw.?
Notiz über Poesie
Ein Gedicht darf, was es kann, es muss das aber auch wirklich können. Es muss den Anspruch zu verwirklichen versuchen, dass nur diese Form, die es hat, dem gerecht wird, was es sein soll. Form, nicht Stoff, Gestaltung, nicht Absicht und Meinung sind das Entscheidende. Vieles, was Gedicht genannt wird, ist nur poetisiertes Unvermögen, eine verbindliche Form zu finden.
Gottfried Benn war der Überzeugung, dass auch die bedeutendsten Dichter unter den vielen Hunderten von Gedichten, die sie schreiben, allenfalls eine Handvoll wirklich guter zu Stande bringen. Damit dürfte Benn durchaus Recht gehabt haben. Aber man darf daraus nicht folgern, dass man bloß sehr viele Texte schreiben müsse, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass irgendwann einmal ein gelungener darunter sei. Man kann, darf und soll als Dichter gewiss so viel schreiben, wie man muss oder will, aber keinesfalls ist immer alles, was einer so absondert, ein lesenswerter Text. Das Schreiben ist nötig, das Publizieren ist es nicht.
Ein Tischler, der Hunderte von Tischen tischlerte, von denen nur ein paar nicht wackeln, wäre ein schlechter Tischler und hätte wahrscheinlich seinen Beruf verfehlt. (Oder eine schlechte Ausbildung genossen.) Ein Dichter hingegen hat das Recht, ja die Pflicht, auch schlechte Gedichte zu schreiben ― er braucht sie ja nicht zu veröffentlichen! ―, um durch Versuch, Scheitern, neuen Versuch, besseres Scheitern usw. darauf hinzuarbeiten, auch einmal ein gutes zu schreiben.
Dichtung ist nicht gefühlsseliges Verseschmieden. (Wenn überhaupt noch jemand einen Begriff vom Unterschied von Vers und Zeile hat.) Inspiration, Geistesblitz, Sensibilität sind erlaubt, aber garantieren bei Weitem noch keine gelungene Gestaltung. Dichtung ist Handwerk, das auf jeden Fall, ein Können also, das man hat oder nicht hat, warum auch immer, aber dichterische Handwerkskunst muss, wenn nicht gedrechselter, gehäkelter, hingerotzter Kitsch und vorgefertigter Müll entstehen soll, immer aufs Neue erarbeitet werden. (Gewiss darf ein Schreibender sich Kunstgriffe beibringen. Mit immer denselben Methoden zu werkeln, wäre jedoch höchst unschicklicher Manierismus. Der Übergang zum Marinierten ist dann oft allzu leicht.) Das Material, das ein Dichter bei diesen seinen Selbstversuchen vergeudet, ist die unerschöpfliche, ewig nachwachsende Sprache, sein Handwerkszeug ist er selbst, und wenn er sich abnützt, dann ist das eben so. Gedichte müssen sein, Dichter aber sind sowieso hinfällig und sterblich.