Donnerstag, 31. März 2022

Balken und Splitter (70)

„Wenn jetzt der Weizen knapp wird, vielleicht lernt Deutschland dann endlich glutenfrei?“ Das fällt einem Dummschwätzer zur wirtschaftlichen Schädigung der Ukraine ein. Mehr nicht. Doch von der ethischen Bedenkenlosigkeit und vom schlechten Deutsch abgesehen: Warum soll Deutschland oder sonstwer denn eigentlich überhaupt lernen, der Lebensmittelindustrie ihre „glutenfreien“ Produkte abzukaufen? Gluten (bitte korrekt auf der ersten Silbe betonen, ihr Teutonen!) ist nichts Schlechtes. Der Anteil der Menschen, die an Zöliakie leiden, liegt bei nullkommairgendwas Promill der Bevölkerung. Die kommen, wenn sie um ihre Krankheit wissen, ganz gut damit zu Recht. Die Zahl derer, die es einfach chic finden, glutenfrei, laktosefrei oder free-from-irgendwas zu ernähren, weil man das eben derzeit so macht, wenn man up to date (sagt man noch so?) sein will, ist freilich zigfach höher. Es ist einfach ein gutes Geschäft: Die Industrie verlangt höhere Preise, weil sie in ihrem Zeug etwas weglässt, was jahrtausendelang niemanden gestört hat. Und wer Wert darauf legt, „glutenfrei gelernt“ zu haben, ist in schönster Übereinstimmung mit der Dummheit des Zeitgeistes. So gewinnen alle. Nur nicht die Vernunft.

Freitag, 25. März 2022

Balken und Splitter (69)

Die Sittenwächterinnen und Sittenwächter von „Fridays for Future“ haben völlig Recht: Dreadlocks sind eine Sklavenfrisur (Negerfrisur sagt man nicht!) und haben bei weißen Herrenmenschen nichts zu suchen! Für mich spricht allerdings gegen Frau Maltzahn nicht ihre Hautfarbe, sondern ihr grässliches Gesinge
 
Sehe im Fernsehen eine Fußgängerampel (in Hamburg), die seit Monaten außer Gebrauch genommen ist. Dazu wurde sie großflächig mit schwarzen Folien verhängt. Darunter freilich gehen die Lichtsignale munter weiter. Seit Monaten. Ein schönes Symbol, finde ich, für das Irrenhaus, in dem die Obrigkeit ihre Untertanen leben lässt.

À propos Unzurechnungsfähigkeit: Derselbe untote Herr Klabauterbach, der erklärt hatte, mit Ende des Winters seien die Ungeimpften ohnehin schon alle tot, sorgt sich jetzt im Frühling um deren Gesundheit und will darum unbedingt die allgemeine Impfpflicht. In Wirklichkeit sind es freilich die„vollständig Geimpften“ und „Geboosterten“, die die große Masse der positiv Getesteten, Isolierten und Erkrankten ausmachen. Aber wenn schert schon die Wirklichkeit, wenn sich mit Irrsinn so schön Geld verdienen lässt!
 
Geld regiert die Welt. Viel Geld lässt sich bekanntlich mit fossile Brennstoffen verdienen. Damit fianziert zum Beispiel dire Russländische Föderation ihre Angriffskriege, etwa den jetzt gegen die Ukraine. Man kann Öl und Gas nicht einfach abbestellen? Mag sein, aber wer sagt, dass man deswegen Kriege finanzieren muss? Warum die Milliarden für Gas und Öl nicht einfach auf ein Treuhandkonto überweisen? Am besten bei einer Bank im Haag, wo Putin und die Seinen es sich nach dem Krieg gerne abholen können, wenn sie zu ihren Kriegsverbrecherprozessen anreisen.

Nach mehr als vier Wochen

A. meint, das Prinzip des Krieges sei es, keine Wahrheit mehr zu haben, sondern nur noch Nebel. Im Krieg sei alles Lüge, und jede Äußerung zum Krieg sei unwahr. Ich sehe darin eine recht komfortable Haltung: Alles ist Lüge, also muss ich mich nicht mehr bemühen, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Wenn aber jede Äußerung zum Krieg unwahr ist, dann auch die, dass jede Äußerung zum Krieg unwahr ist. Einmal mehr verheddert sich A. also in der Logik. Oder beansprucht eine Stellung „über den Dingen“, von wo er alles beurteilen kann („alles ist Lüge“) ohne selbst beurteilt werden zu können. Das wird nicht besser, wenn A. hinzusetzt, er meine trotzdem, dass dem Lügner, der für die angegriffene Seite spreche, mehr geglaubt werden solle als dem Angreifer, selbst dann, wenn beide lögen. Warum soll man Lügen glauben, noch dazu absichtlich und bewusst? Warum eine Parteinahme für eine Seite, wenn alles unwahr ist. Hier will sich jemand offensichtlich darum herumschwindeln, dass die bequeme Haltung, alle lögen, selbst unwahr ist, dass einander Lüge und Wahrheit, Unrecht und recht, Angriff und Verteidigung gegenüberstehen. Und das jeder Versuch eine Äquidistanz, unlogisch vernebelt durch doch ein bisschen Parteinahme für die Angegriffenen, unmoralisch ist.

B. teilt mit, dass es ja wohl nicht so sei, dass die 102 militärischen Spezialoperationen in der Geschichte der USA im Schnitt weniger verbrecherisch gewesen wären als die der Russen, es sei nur niemand da gewesen, der sie sanktioniert habe oder sanktionieren hätte wollen oder können. Das die Machtdifferenz, so B., die man mit dem kleinen Wörtchen Imperialismus bezeichne.
― Das ist blanker Unsinn. Mit „Imperialismus“ hat (außer B.) noch irgendjemand das Fehlen von Sanktionen gegen militärische Interventionen bezeichnet. Auch ist bei weitem nicht ausgemacht, dass die wie auch immer gezählten militärischen Interventionen der USA allesamt gleichermaßen verbrecherisch waren, falls überhaupt. Und selbst wenn, bliebe immer noch die Frage, warum B. das ausgerechnet jetzt erwähnt, da Russland einem verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Was für eine bizarre Schwundform von Whataboutismus soll das sein? Die Amis haben die Indianer ausgerottet. Ja, stimmt. Und was folgt daraus für den Krieg gegen die Ukraine? Das man Russland machen lassen soll? Die USA haben auch Nazideutschland bekriegt und die Möglichkeit geschaffen, dass zusammen mit ihnen Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion den Krieg gewannen. Die bösen, „plutokratischen“, kapitalistischen, imperialistischen, rassistischen USA haben Nazideutschland besiegt. War das irgendwie falsch? Hätten sie das nicht gedurft, weil sie doch nicht N. strengen antiimperialistischen Maßstäben genügten? Bevor Stalins Russland gegen Hitlers Deutschland kämpfte, kämpfte sie zwei Jahre lang Seite an Seite mit ihm (und überfiel Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland). Sprach das irgendwie dagegen, dass die USA Stalin dann halfen, seinen „Vaterländischen“ Krieg zu gewinnen? What about that?

C. übt sich in irren Verdrehungen. Unterstützung für die sich heldenhaft verteidigende Ukraine ist angeblich Militarismus, zusätzliche Rüstungsausgaben der NATO-Staaten angesichts eines gerade stattfindenden Angriffskrieges in Europa gelten ihm als gefährliche Hochrüstung und seiner Meinung nach will der Faschist Selenskyj den Westen in einen Atomkrieg hineinziehen, weil eine Menschenleben rettende Flugverbotszone fordert (auf die Russland natürlich mit dem Einsatz von Nuklearwaffen reagieren muss). Ach ja. Seit 77 Jahren drohen Kommunisten (und ihr Begleitgesindel) nun schon mit dem Dritten Weltkrieg, wenn es für eine ihrer Lieblingsdiktaturen eng wird. Viel Zutrauen zum militlitärisch-politischen Geschick ihre KGB-Kumpels Putin scheinen sie nicht zu haben, dass sie diesen Knüppel bereits jetzt hervorholen zu müssen glauben.

Er sage es nicht gern, sagt D., aber er müsse es einfach sagen: Er halte den „Wutausbruch“ als öffentliche Redeform für problematisch und auch für ziemlich unsympathisch. Wut breche von außen über den Wütenden herein: „Ich bin gar nicht der, der spricht. Es mich wütend gemacht. Es redet in meiner Wut. Ich bin nur das Medium. Es will gehört werden und keine Widerrede dulden.“ Aber gerade in Zeiten wie diesen solle jeder das, was er sage, auch verantworten können. Wut sei jedoch kein Argument. Der Wütende sei nicht moralischer, nichts besser als andere. Kurzum, Wutausbrüche seien nichts für die Öffentlichkeit. ― Ich bin in nahezu jedem Punkt anderer Meinung als D. Selbstverständlich ist Wut kein Argument, wer hätte das behauptet, aber Wut ist eine Kraft, die das Argumentieren vorantreiben kann. Schlechte Argumente werden nicht besser, wenn sie in aller Ruhe vorgegähnt werden, und gute Argumente werden auch nicht schlechter, wenn jemans sie mit Nachdruck und erkennbar persönlicher Anteilnahme darlegt. Mag sein, dass manche Wut blind macht, aber es gibt doch auch kalte Wut, Wut die abkühlt. Wenn mich etwas ärgert und ich es an- und ausspreche, um dem Ärger Luft zu machen, dann bin ich dabei ganz ruhig und sammle meine Kräfte, dann bin ich in der Äußerung (dem Herauslassen) der Wut schon von ihr befreit. Wut kommt nicht von außen, sondern entsteht im Inneren und drängt nach draußen. Wut will weg vom Wütenden. Wer seine Wut schluckt und schluckt, verdirbt daran. Wut muss also heraus. Gegebenenfalls auch öffentlich. Eine Öffentlichkeit ohne Leidenschaften wäre ja auch eine tote Öffentlichkeit. In der Wut geht es jemandem um etwas. Vor allem aber um jemanden. Denn es mag zwar sein, dass etwas jemanden wütend macht, aber gegen Sachen zu wütend, ist vergleichsweise sinnlos; sinnvolle Wut hingegen gilt letztlich immer einem Jemand, dem die Verursachung (oder Duldung) wütend machender Etwasse zuzuschreiben ist. Wut ist immer persönlich. Meine Wut, deine Wut, seine Wut. Da ist kein angebliches „Es“, das wütet. Im Akt der öffentlichen Rede schon gar nicht. Für den, der ein gutes Verhältnis zu seinem Unbewussten unterhält, sowieso nicht. Die besinnungslos rasende Wut, das Mänadentum, die Wut-Ekstase des Berserkers usw. sind extreme Sonderfälle, die das Verständnis des Wütendseins eher verstellen als erhellen. Wut ist, wie gesagt, Antrieb. Und als solcher, wenn der Trieb zum Guten geht, selbst etwas Gutes. Sie ist ein Gegenteil von Gleichgültigkeit. Wie etwa auch leidenschaftliche Liebe. Oft ist sie auch Anzeichen für das Gegenteil von Mittelmaß, Unterwürfigkeit und Konformismus. Es gibt böse Wut. Aber eben auch gute. Und es gibt unvermeidbare Wut: Wen das Unrecht in der Welt nicht mehr wütend macht, der kann sich gleich begraben lassen.

Donnerstag, 24. März 2022

Sprache ist Heimat? Na, ick weeß ja nich ... Les langues que j'aime ne sont pas mon chez-soi. No, davvero no. Hа жаль ні ... אויף די אנדערע האנט

Freitag, 18. März 2022

Fast ein kleines antikybernetisches Manifest

Manche halten sich für Tiere. Manche halten sich für Maschinen. Manche halten Tiere für Maschinen. Manche halten Maschinen, zumindest künftige, für Personen. Manche denken sich Rechte für Tiere aus. Und Pflichten für Menschen. Viele halten nicht viel von Menschen. Sie sagen: Das ist noch kein menschliches Leben, das darf getötet werden. Sie sagen: Das ist doch kein menschliches Leben mehr, das darf getötet werden. Von Krieg, Vergiftung und Ausbeutung ganz abgesehen. Bei euch soll es nicht so sein. Ihr sollt Menschen für Menschen halten, Tiere für Tiere und Maschinen für Maschinen. Ihr sollt zwischen Person und Ding unterscheiden. Egal, wie sehr sie euch Dinge vermenschlichen. Die Vermenschlichung von Dingen und die Vertierung von Menschen gehören zusammen. Die Vermenschlichung von Dingen und die Verdinglichung von Menschen gehören zusammen. Über allem thront die Maschinisierung von allem und jedem. Kybernetik ist Herrschaftstechnik. Ihr aber sollt Menschen nicht wie Dinge behandeln. Ihr sollt jeden behandeln, wie ihr von ihm behandelt werden wollt. Strebt nach dem Guten, das euch möglich ist. Macht mehr Gutes möglich. Nützt euer Wissen, um besser zu handeln, nicht, um Macht über andere zu erlangen. Glaubt nicht, ihr könntet Gott spielen. Nicht alles ist steuerbar. Nicht alles ist machbar. Nicht alles, was machbar ist, darf gemacht werden. Nicht alles, was gemacht werden darf, ist nötig. Lernt, das Nötig und das Unnötige zu unterscheiden. Bescheidet euch mit dem, was Not tut. Nicht jedes Leid ist vermeidbar. Nicht jeder Missstand kann abgestellt werden. Tut das Mögliche im Rahmen des Vernünftigen. Lasst das Unvernünftige gelten, das niemandem schadet. Ändert die Wirklichkeit im Sinne der Schönheit, der Wahrheit und der Güte. Strebt nicht nach Herrschaft. Erniedrigt einander nicht. Beutet einander nicht aus. Arbeitet zusammen. Achtet einander. Ihr vermögt mehr, als ihr vermeint, wenn ihr auf euer Gewissen hört, eure Einbildungskraft kultiviert und gemeinsam die Realität gestaltet. Seid gute Menschen.

Überlegungen zu einem hegemonialen Narrativ

Lassen wir für einen Augenblick die Frage beiseite, ob diese oder jene Behauptungen war oder falsch sind, und wenden uns, nüchtern und möglichst unvoreingenommen, wie es vielleicht Soziologen oder Politologen zukäme (oder gesellschaftskritischen Philosophen und Kulturwissenschaftlern) der Frage zu, wer wann wo was behauptet, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Interessen mit den Behauptungen verbunden sind, welches mögliche Herrschaftsinteresse also, und welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen Effekte die Behauptungen haben könnten und haben. Eine solche Betrachtungsweise, die nicht den „Inhalt“ von Behauptungen, sondern deren Entstehungsbedingungen und Wirkungen und die mit ihnen verbundenen Absichten untersucht, war bis 2019 in akademischen Kreisen üblich, ja sozusagen das tägliche Brot. Ab 2020 kam sie schlagartig aus der Mode. Oder wurde zumindest nicht mehr kritisch angewandt („Wer herrscht damit?“), sondern affirmativ („Wer widerspricht der Regierung und ist darum ein Schwurbler und Nazi?“).
Richtet man also einen nüchternen und möglichst unvoreingenommenen, gleichwohl gesellschaftskritischen Blick auf das, was man mit einer vielleicht etwas groben, aber doch allgemein verständlichen und nicht unzutreffenden Chiffre als das „Corono-Narrativ“ bezeichnet hat, so stellt man fest, dass es sich bei dessen Bestandteilen durchwegs um hegemoniale Äußerungen handelt. Anders gesagt, sie stammen allesamt von regierenden Politikern, von etablierten Wissenschaftlern (die ihr Geld in Einrichtungen verdienen sind, die zum Teil Behörden sind), von Vertretern einflussreicher Wirtschaftsunternehmen und Verbände, von immer nah am Offiziellen agierenden Medien. Sie stammen nicht vom Rand der Gesellschaft, nicht „von unten“, nicht von unabhängigen Fachleuten oder von kritischen Zeitgenossen.
Die ein mehr oder minder geschlossenes Narrativ bildenden Behauptungen ― kurz gesagt: ein neuartiges, sehr gefährliches Virus bedroht die ganze Bevölkerung und das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitswesen, weshalb zahlreiche nicht-medizinische Maßnahmen ergriffen werden müssen, einschließlich massiver Eingriffe in Grundrechte sowie die rettende medizinische Maßnahme: das Impfen ― passen im Großen und Ganzen sehr gut zu den, was die hegemonialen Institutionen und ihre Vertreter schon zuvor geäußert hatten und was somit ihre diskursive Hegemonie ausmachte. Das bedeutet, dass die bisherige Kritik am hegemonialen Diskurs als Beitrag zur real existierenden Ausbeutungs-, Zerstörungs- und Verdblödungsgesellschaft auch hier zutreffen wird. Das Narrativ ist wie schon bisherige diskursive Formationen sehr gut dazu geeignet, Profite zu steigern, wirtschaftliche Konzentrationsprozesse zu forcieren, Steuergelder in die Privatwirtschaft umzulenken, die Vermögen weniger auf Kosten aller anderen zu mehren, staatliche Eingriffe in die kollektive und individuelle Lebensführung zu legitimieren, auch unter Ausschaltung verfassungsmäßiger Abwehrrechte und Widerspruchsmöglichkeiten, und insgesamt die staatliche und privatwirtschaftliche Überwachung und Kontrolle von allen und jedem auszubauen.
Zwar dominiert im Narrativ der Gesichtspunkt „Gesundheit“ (als Staatsziel und individuelle Verpflichtung), die Verbindung von „Biopolitik“ (Foucault) und „Kontrollgesellschaften“ (Deleuze) zu einem kybernetisch-transhumanen „Überwachungskapitalismus“ (Zuboff) war längst im Gange. Auch Wissenschaftsgläubigkeit und die Stilisierung von Problemen zu (nur) durch entschiedenes staatliches Handeln beeinflussbaren Überlebensfragen ist nichts Neues.
Dem hegemonialen Narrativ gegenüber muss nun jede Abweichung zweifelnder, widersprechender, ablehnender Art als Irrwitz erscheinen, als absurde Verschwörungstheorie, als Esoterik, als rechte bis rechtsextreme Propaganda. Das ist ja die Funktion eines solchen Narrativs: Staatliches Handeln zu legitimieren und jede Kritik daran abzuwerten und letztlich auszuschließen. Heerscharen von „Faktencheckern“ sind seit Beginn der Ausrufung der „Krise“ damit befasst, mit allerhand rhetorischen Tricks und Kniffen jeden Abweichler mundtot oder zumindest unmöglich zu machen.
Wie gesagt: Es muss hier gar nicht darum gehen, wer Recht hat: die Coronagläubigen oder die Ketzer. Aber es muss klar bedacht und klar gesagt sein, wem die Aufwertung des Staates und seiner willigen „Experten“ und Multiplikatoren zu Wahrheitsinstanzen und die Herunterstufung jeglicher nicht-affirmativen Auseinandersetzung zu „Schwurbelei“ nützt: Sicher nicht denen, die an einer einer Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse interessiert sind.
Vor 2020 waren das nicht zuletzt gewisse Intellektuelle. Was ist aus ihnen geworden? Sie scheinen, bis auf wenige, sehr wenige, geradezu handverlesene Ausnahmen ― Giorgio Agamben sei hier erwähnt ―, mit fliegenden Fahnen ins Regierungslager und damit das Lager des von ihnen zuvor in Grund und Boden kritisierten Kapitalismus übergelaufen zu sein. Während die einen dabei nur ihre brave Zustimmung signalisieren, haben sich andere völlig fanatisiert und ein totalitäres Gesundheitsregime („Wir impfen euch alle!“, ZeroCovid usw.) zum Inbegriff neuer, wie so oft schon strikt diktatorisch konzipierter Linksradikalität erhoben. Wer es wagt, von Freiheit und Selbstbestimmung zu sprechen, ist ohne jeden Zweifel ein Nazi, der ausgemerzt gehört.
Diese Verschmelzung von Postmarxismus und Biopolitik (man könnte von „Biobolschewismus“ sprechen) mag neu erscheinen, liegt allerdings auf der ganz Linie der traditionellen Ausrottungs- und Umzüchtungsphantasien („Neuer Mensch“) der autoritären und technikgläubigen Kollektivisten. Einmal mehr verhindert so marxistisch inspirierte Affirmation der Macht echte linke Gesellschaftskritik.
Es kann nun freilich durchaus Berechtigung haben, gegen „rechts“ zu sein. Aber welchen Sinn hat die Unterscheidung von „links“ und „rechts“, wenn beides im Zweifelsfall in Sachen Autoritarismus und Totalitarismus doch wieder übereinkommt? Wenn „links“ nicht für mehr Freiheit, für Menschenwürde und für ein möglichst herrschaftsfreies, gedeihliches Miteinander von Gleichberechtigten steht, wofür dann? Ist „links“ eine reine Selbstabgrenzungsvokabel, mit der man sich versichert, auf der richtigen, der antifaschistischen Seite zu stehen? Schämt euch, mit solchen Leuten zu demonstrieren, hieß es in Richtung von Antimaßnahmen-Demonstranten oft, weil bei den Demos auch „Rechte“ mitmarschierten. Aber seit wann sind den Gates, Bezos, Zuckerberg, Musk & Co. links? Oder Merkel und Kurz, Spahn und Lauterbach und wie sie alle heißen? Wo bleibt die „linke“ Scham darüber, im Zuge der kritiklosen Akzeptierung des Corona-Narrativs die Geschäfte der Pharmaindustrie und anderer multinationaler Konzerne zu betreiben?
Die „biobolschewistischen“ Fanatiker mögen eine winzige Minderheit sein und die halbwegs moderaten Durchschnittslinken mögen keine relevante gesamtgesellschaftliche Rolle spielen, sie verdichten in all ihrer abgestuften Bizarrität allerdings durchaus konsensfähige Tendenzen der Mehrheitsgesellschaft. Deren konsumistische Individualisierungswünsche sich in Krisenzeiten offensichtlich rasch von plötzlich überflüssig, hinderlich und gefährlich wirkenden Freiheitsrechten abkoppeln lassen. Demokratie und Rechtsstaat, sonst als hohe Werte gepriesen, werden völlig nachrangig, wenn es um die geforderte Vermeidung von möglichem Leid und möglichem Tod geht; dem eigenen Leid und eigenen Tod, versteht sich. Kollektiv ins Bockshorn gejagt, erschöpft sich die sozialutopische Kapazität der Leute ― für gewöhnlich ohnehin schon wenig ausgeprägt (und technizistisch-szientistisch verformt: die werden schon was erfinden) ― auf die Hoffnung, alles möge doch bitte bald wieder „normal“ werden. Als ob nicht bereits die Normalität „ante coronam“ durch und durch kritikwürdig gewesen wäre. Es ist bereits vieles, was früher vielleicht undenkbar schien, heutzutage ganz normal. Der „Ausnahmezustand“, die „Krise“, die „außerordentlichen Maßnahmen“ sind die längst herrschende Normalität. Gewöhnt euch dran! Oder eben nicht, aber dann müsst ihr mit der Hegemonie brechen. Fangt gleich mit dem Corona-Narrativ an.

Donnerstag, 17. März 2022

Intellektuelle Kollaboration

„Die Begeisterung von Menschen, die noch nie in einem Kriegsland gelebt haben, für die Lieferung von Waffen, mit denen andere sterben werden, ist kein Ausdruck von Solidarität.“ (Raul Zelik)
Nebst den russländischen Kriegsverbrechern selbst sind ihre intellektuellen Kollaborateure wie Zelik wohl die armseligsten, verachtenswertesten Gestalten in diesem Krieg. Bequem von ihrem Laptop aus verkünden sie, wer gegebenenfalls sterben muss (Ukrainer) und wer keinesfalls sterben darf (Russen). Als ob es keine Unterschied von Angriff und Verteidigung gäbe. Keinen von Recht und Unrecht. Man stelle sich vor, Zelik hätte 1939, 1940 oder 1941 gelebt. Hätte er auch gesagt: Polen, Franzosen, Sowjetbürger, legt die Waffen nieder! Damit werden sonst vielleicht noch Deutsche getötet!
Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu töten. Davon bin ich unerschütterlich überzeugt. So wie von den anderen unveräußerlichen Rechten jedes einzelnen Menschen. Aber. Und es gibt ein Aber. Aber wenn diese Rechte verletzt werden, etwa indem Menschen getötet werden, darf unter Hintanstellung gewisser Rechte dieser Rechtsverletzung entgegengetreten werden. Mit den geeigneten Mitteln.
Weniger abstrakt gesagt: Wenn Russland die Ukraine mit Waffengewalt überfällt, dürfen die Ukrainerinnen und Ukrainer sich wehren. Mit Waffengewalt. Dabei werden unvermeidlicherweise russländische Soldaten getötet. Die Schuld daran tragen allein die, die den Angriff befehligen. Die Verteidiger tun, was Vernunft, Recht und Menschlichkeit erfordern. Wer sie dabei, in welcher Form auch immer, unterstützt, handelt richtig. Wenn man so will: solidarisch.
Unter all dem, was ich in den letzten drei Wochen aus der Ukraine und über Ukrainer gehört und gelesen habe, war nichts, was besagte: Lasst uns Russen töten um des Tötens willen. Ganz im Gegenteil. Viele Stimmen beklagen das Los der oft blutjungen Soldaten, die von Putin in seinem irren Krieg verheizt werden. Lieber möchte man sie ihren Müttern zurückgeben, als auf sie zu schießen. (Neun junge Kriegsgefangene wurden zum Beispiel gegen den zu Unrecht verhafteten Bürgermeister von Melitopol ausgetauscht.)
Krieg ist ein Übel, und es wäre besser, er fände nicht statt. Aber er findet statt. Und erlaubt in diesem Fall sogar eine unzweifelhafte Parteinahme: Gegen den, der den Krieg begonnen hat, für die, die unter ihm leiden. Darum wird es wohl jeder anständige Mensch begrüßen, wenn die Ukraine, um sich verteidigen zu können, mit militärischem Material aller Art, einschließlich Waffen, durch die Menschen getötet werden sollen, versorgt wird. Man müsste schon einem menschenverachtenden, weil verhinderbare Todesfälle auf ukrainischer Seite in Kauf nehmenden „Pazifismus“ anhängen ― Pazifist bin ich übrigens selber, aber nicht doktrinär und blindwütig, sondern realistisch und pragmatisch ― oder aber eben doch klammheimlich mit dem postkommunistischen Diktator sympathisieren, um die Zustimmung zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung von Leben, Freiheit, Würde, Demkoratie als „Begeisterung“ für tödliche Waffen zu denunzieren. Bei einem Mitglied des Bundesvorstandes der traditionell putintreuen Partei „Die Linke“ ist eine solche widerwärtige Sympathie nicht unwahrscheinlich.
In einer liberalen Demokratie darf auch Herr Zelik seine Meinung haben, sogar wenn sie falsch und verachtenswert ist und dem Aggressor zuarbeitet. Trotzdem wäre es mir lieber, behielte seine gemeingefährlichen Hirngespinste ganz und gar für sich. ZeroZelik sozusagen.

Dienstag, 15. März 2022

Nach fast drei Wochen

X. sagt, er verstehe nicht, warum die Ukrainer sterben wollten. Ich sage, er meine wohl, er verstehe nicht, warum sie kämpfen wollten. Warum sie mit der Waffe in der Hand (und auch mit bloßen Händen, wie man zuweilen sah, als sie Panzer stoppten) ihr Land, ihre Landsleute, ihre Angehörigen, ihre Freiheit, ihre Würde, ihr Recht auf Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung verteidigen. Warum sie einem brutalen, mörderischen Aggressor ihren unbedingten Willen zum Widerstand entgegensetzen. X. wäre es wohl lieber, meine ich, die Ukrainer würden sich unterwerfen. Russland greift an, und sofort halten alle die Hände hoch und kreischen: Bitte herrsche über uns, mächtiger Zar! Vielleicht hat sich Putin das wirklich so vorgestellt. Aber da kannte er, wie X., die Ukrainer schlecht. Lieber sterben sie, als sich kampflos der Tyrannei zu überlassen. Und das ist bewundernswert. Ein Störfaktor der internationalen Politik, und schon darum bewundernswert.
 
Y. redet von Geopolitik, von Sichterheitsinteressen und aggressiver Osterweiterung. Ich werde ungehalten und sage, dass ich mit solchem Geschwätz nichts anfangen könne. Geopolitik sei doch nur ein pseudogelehrter Ausdruck für das Rechts des Stärken. Als ob Imperien durch ihre bloße Existenz das Recht hätten, sich ihre Nachbarn zu unterwerfen, sie zu unterdrücken und auszubeuten. Als ob es solche Imperien überhaupt von Natur aus geben müsse. Und wessen Sicherheit sei denn je bedroht worden? Wie kommt man darauf, der NATO zu unterstellen, sie habe vor, Russland anzugreifen? War es nicht vielmehr immer wieder Russland, das seine Nachbarn angriff? Selbstverständlich wollten die jungen Demokratien des ehemaligen Ostblocks und der Sowjetunion unbedingt einem starken Verteidigungsbündnis angehören, sie hatten ja ihre historische Erfahrung, was es heißt, überfallen und unterdrückt zu werden. Immer war Russland (oder die Sowjetunion) der Aggressor, Polen hat es dreimal geteilt und weitere zweimal überfallen, Litauen, Lettland, Estland wurden ihrer nach Jahrhunderten der russischen Herrschaft endlich erlangten Unabhängigkeit zweimal beraubt und mussten 40 Jahre als Sowjetrepubliken dahinvegetieren. Dass die unabhängige Ukraine nicht schon 1991 NATO-Mitglied wurde, war ein schwerer Fehler und geschah schon aus falscher Rücksicht auf den bösartigen Nachbarn.

Z. sagt, der Krieg sei militärisch nicht zu gewinnen, es müsse zu einer diplomatischen Lösung kommen. Ich sage, ich wüsste nicht, worin eine solche bestehen solle, wenn nicht in einem Teilsieg Putins. Was gäbe es denn zu verhandeln? Soll man Putin sagen: Zieh deine Truppen zurück, und das macht er dann? Und verspricht, es nie wieder zu tun? Man müsse Putin zwingen, sagt Z. Womit denn? Putin agiert nicht rational und hält sich nicht an Vereinbarungen. Er versteht nur die Sprache der Gewalt. Ihm müssen Grenzen aufgezeigt werden: So nicht, du Verbrecher! Diplomatie sei gut und schön, sage ich, aber was es jetzt vor allem brauche, sei militärische Unterstützung der Ukraine, auch direkt, etwa durch eine Flugverbotszone, die von der NATO durchgesetzt würde, wohldosiert und riskant, aber notwendig, dazu strikte und umfassende ökonomische Sanktionen. Irgendwelche Zugeständnisse wie etwa „Neutralität“ und „Demilitarisierung“ der Ukraine, gar die Anerkennung der Annexion der Krim und der ostukrainischen Folterrepubliken, wären fatale Signale. Dann hätte Putin etwas erreicht mit seinen Kriegsverbrechen. Das kann doch vernünftigerweise niemand wollen. Das wäre eine Einladung an alle Diktatoren, es ähnlich zu machen. Ganz abgesehen davon, wie völlig widerwärtig es wäre, die Ukrainerinnen und Ukrainer im Stich zu lassen, ihren Wunsch, Teil des Westens zu sein zu ignorieren und sie einfach auf dem Altar einer ekelhaften „Geopolitik“ zu opfern. Die Ukraine hat dasselbe Recht, eine liberale Demokratie zu sein und über ihre Wirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik eigenständig zu bestimmen wie irgendein westliches Land. Über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg zu bestimmen: So, ihr gehört jetzt wieder zur russischen Einflusszone, wäre gigantisches Unrecht.

Freitag, 11. März 2022

Balken und Splitter (68)

Sondermeldung. Die in Versailles versammelten Staat- und Regierungschefs haben endlich eine Lösung gefunden: Die Ukrainer sollen Kuchen essen!
 
Der Eiertanz, mit dem der Westen das Unvermeidlichen hinausschiebt (nämlich Kriegspartei zu werden oder die Ukraine endgültig im Stich zu lassen), ist leider eher ein line dance von Hinterwäldlern als ein souveräner Auftritt à la Louis XIV.
 
Der schwarze Teil des regierenden Gesindels in Österreich möchte bei der nationalen Umsetzung des flüchtlingsfreundlichen EU-Rechts strikt zwischen ukrainischen Flüchtlingen und Flüchtlingen aus der Ukraine (aber ohne ukrainische Staatsbürgerschaft) unterscheiden. Das ist so mies, so menschenverachtend, so putinesk, dass man eine neues Verb dafür finden muss: „volksparteien“, also Böses tun, selbst wenn man ausnahmsweise Gutes tut. Er volksparteit. Sie volksparteien. Volkspartei hier nicht rum!
 
Außerdem ist man jetzt (auch in der BRD) doch noch draufgekommen, dass da mal irgendwas mit so einem komischen Virus war. Und bekommt weiche Knie, weil zwei Drittel der ukrainischen Bevölkerung nicht geimpft sind, und wenn, dann mit einem chinesischen Vakzin, das im Westen nicht wirkt (anders als die westlichen Vakzine, die ja vollständig immunisieren; auch wenn sie natürlich nicht vor Ansteckung, Übertragung, Erkrankung schützen). Und schon bekommt man zu den weichen Knien auch noch leuchtende Augen: Während die Impfbereitschaft sonst gegen null tendiert, kann man ja Geflüchteten ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können. Denn das wäre unhöflich und ein Grund sie einzusperren oder zurückzuschicken. Also immer her mit den Spritzenwagen, auf zum mobilen Sondereinsatz in den Flüchtlingsunterkünften!

Donnerstag, 10. März 2022

Balken und Splitter (67)

Putins Russland überfällt die Ukraine und begeht ein Kriegsverbrechen nach dem anderen. Und was tun gewisse „Linke“? Sie erheben ein großes Geschrei über die  „Militarisierung“ ― des Westens!

Polen möchte der Ukraine gerne alte Kampfjets überlassen. Die USA verweigern die zur Überstellung nötige Nutzung ihres deutschen Luftwaffenstützpunktes. Die MiGs direkt in die Ukraine zu fliegen, traut sich Polen nicht. Alle im Westen haben Angst, Russland könne sie für eine „Kriegspartei“ halten. Und arbeiten damit unmittelbar Putins Kriegsführung zu. So lange, bis sie dann unweigerlich Kriegsparteien sein werden müssen.

Putin ist ein Aggressor und muss sanktioniert werden, sagen sie. Sein Gas möchte man trotzdem weiter gegen gutes Geld kaufen. Weil Putin Gas hat, darf er machen, was er will? Ukrainerinnen und Ukrainer sterben, damit im Westen geheizt, gekocht und die Industrie betrieben werden kann?

Nochmals: Weil Putin Atombomben hat, kann man ihm nicht entschieden, also auch militärisch, entgegentreten? Merkt ihr selber, oder? Und wenn nicht: Ihr werdet es schon noch merken, wenn es dann allerdings bereits zu spät ist.

Mit Verlaub: Für Frieden bin ich auch. Sehr sogar. Aber eine Unterwerfung der Ukraine wäre kein Frieden. Sondern ein mit Krieg erreichter Zwischenzustand auf Widerruf. Stoppt den Krieg, ja, das ist eine gute Losung, aber in Langfassung kann sie nur heißen: Russland muss zurück hinter die Grenzen von 2014, muss Entschädigungen zahlen und Sicherheitsgarantien geben. Und Putin und die übrigen Kriegsverbrecher müssen vor Gericht.

Mittwoch, 9. März 2022

Zur Fabrikation von „Verschwörungstheoretikern“

Vom „Institut Arbeit und Technik“ Westfälischen Hochschule zu Gelsenkirchen wurde Ende 2021 übers Internet eine „Umfrage“ zu den Themen Coronamaßnahmen und Impfbereitschaft veranstaltete, an der 1.377 Personen teilnahmen. Es gab keinerlei Bemühen um Repräsentativität, wer antworten wollte, konnte antworten. Entsprechend wertlos sind die Resultate. Die interessieren mich hier auch gar nicht, sondern die Fragestellungen. Um die Teilnehmer in Kategorien einteilen zu können, wurden ihnen Fangfragen gestellt. Wer dem Satz „Ich vertraue auf mein Immunsystem“ bejahte, galt als jemand, der nicht an die Notwendigkeit des Impfens glaubt. Wer „Es gibt bisher keine abgeschlossenen Langzeitstudien und damit keine Garantie für eine Sicherheit der Impfstoffe“ zustimmte, hielt das Impfen für unsicher. Und ein Befürworter von Verschwörungstheorien war, wer ja sagte zu „Der einzige für mich interessante Grund für eine Impfung wäre der Schutz vor weiteren Maßnahmen der Regierung, allerdings ist das Erpressung und deswegen halte ich es eher für meine Pflicht mich nicht impfen zu lassen, damit solche Erpressungsversuche nicht funktionieren und vor allem nicht zur Gewohnheit werden“.
Das ist nun allerdings bemerkenswert. Wer sich nicht durch Hysterie und Panikmache und die Drohung, es werde weitere Einschränkungen der Grundrechte bis hin zu juristischem, also letztlich physischem Zwang geben, einschüchtern lässt, sondern seine Freiheit und damit die aller verteidigt, hängt Verschwörungstheorien an? Ist gar, wie die Umfrageveranstalter spekulieren, staatsfeindlich eingestellt?
Nun, ich bin ja tatsächlich ein Staatsfeind. Ich halte den Staat für böse, jeden, und befürworte es, nach Mitteln und "egen zu suchen, Staatlichkeit loszuwerden. Nicht von jetzt auf gleich, das scheint mir nicht möglich, aber als notwendiges Ziel politischen Denkens und Handelns. Das ist das eine. Aber viele Menschen, die durchaus für den demokratischen Rechtsstaat eintreten, sind gerade deswegen und keineswegs aus Staatsfeindlichkeit gegen Grundrechtseinschränkungen und Impfzwang.
Durch windige „Studien“ brave, aber eben nicht unmündige Staatsbürger zu Feinden der Verfassung und der liberalen Demokratie umzustilisieren, ist dumm und niederträchtig und liegt also im Zug der Zeit, wo „Wissenschaft“ zunehmend zm Synonym für staatlich alimentierte Dummschwätzerei akademischer Institutionen wird.
Mich könnt ihr meinetwegen als Schurken in eurem Stück vorkommen lassen. Ich möchte tatsächlich, dass es euch und eure Geldgeber in einer freien, gerechten und anständigen Gemeinwesen nicht mehr gibt. Aber lasst gefälligst unbescholtene Bürger in Ruhe, die lediglich die Versprechungen ernst nehmen, die der Staat in Sachen „unantastbarer Würde“ und Recht und Freiheit macht.

Keine Aufrüstung? Keine Militarisierung?

Bloß keine Windräder und Solaranlagen bauen, um von fossilen Energieträgern wegzukommen! Davon profitiert nur die Windräder- und Solaranlagen-Industrie! Keine Macht dem Kapital!
Manche opfern ihrer ideologischen Obsession bedenkenlos Menschenleben. Ja, von Aufrüstung profitiert die Rüstungsindustrie. Aber keine Angst, die profitiert auch so. Die Alternative zu Hilfe für die Ukraine ist ein Sieg Putins, die Alternative zu einsatzfähigen westlichen Streitkräften ist Wehrlosigkeit. Und „mehrfache Vernichtungspotenziale“, sprich: Atomwaffen, sind schon gar kein Argument, wenn es an konventioneller Ausrüstung mangelt.
Erstaunlicherweise war (und ist) für viele, die jetzt ihre Abscheu vor Erhöhung von Militärbudgets und militärischer Unterstützung der Ukraine bekunden, der Milliardenprofit der Pharmaindustrie durch gefährliche und nutzlose „Impfstoffe“ kein Problem, im Gegenteil.
Angesichts eines gerade stattfindenden Krieges, den ein irrer Diktator begonnen hat und in dem schon unzählige Menschen gestorben und Dinge zerstört worden sind, gegen „Militarisierung“ zu wettern, ist ungefähr so rational, wie gegen Regen zu sein, wenn es gerade regnet. Als vernünftiger Mensch hingegen spannt man einen Schirm auf. Den man sich beizeiten zugelegt hat. Und bietet denen, die keinen haben, einen an. Es sei denn, versteht sich, man sitzt selbst gemütlich im Trockenen und ärgert sich über die Schirmindustrie und die Leute, die einfach nicht nass werden wollen.

Nachbemerkung zum Weltfrauentag 2022

Hunderttausende Frauen und Kinder werden aus der Ukraine in Sicherheit gebracht, während Männer unter Einsatz ihres Lebens Freiheit und Würde verteidigen. Schon eine schlimme Sache, dieses Patriarchat!

Dienstag, 8. März 2022

Bis hierher und nicht weiter

Ist es nicht in Wahrheit leider doch ziemlich einfach? Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Entweder man überlässt Putin die Ukraine. Oder man tritt ihm entgegen. Nicht mit Worten und Sanktiönchen, sondern zur Not eben auch militärisch.
Der Kampf der Ukrainer, auch der Zivilisten, gegen die russländischen Eindringlinge, Eroberer und Besatzer ist heldenhaft und bewundernswert, oft tragisch und manchmal witzig. Aber er kann die Niederlage nur verzögern. Selbst wenn der Widerstand dann in einer „russlandisierten“ Ukraine mit einem von Putin eingesetzten Marionettenregime weitergeht, wird er irgendwann in Blut erstickt werden. Und das war’s dann? Ist halt alles ein bisschen dumm gelaufen?
Er brauche Munition, keine Mitfahrgelgenheit, soll Selenskyj auf Bidens Angebot, ihn auszufliegen, gesagt haben. Entsprechendes gilt für das ganze Land. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine gute Sache, auch die Lieferung von Hilfsgütern und Rüstungsgütern. Sogar die Sanktionen, wie immer unzureichend, gehe in die richtige Richtung. Aber all das zögert eigentlich nur die Konfrontation hinaus. Oder eben das Eingeständnis: Putin wird gewinnen, auch wenn es uns nicht passt.
Putins Sieg wäre eine Niederlage, nicht nur der Ukraine und „des Westens“ , sondern aller Menschen in der ganzen Welt. Wenn ein irrer Diktator sich 2022 so einfach durchsetzen kann, was will man dann anderen, mächtigeren Unrechtssystemen noch entgegensetzen?
Es geht nicht darum, dass die NATO Russland angreifen soll. Aber Flugverbotszonen wären zum Beispiel schon ein erster, richtiger Schritt. Grenzen ziehen. Rückzüge fordern. Sich nichts gefallen lassen. Menschenleben schützen. Eben: konfrontieren.
Aber bedeutete das nicht wowöglich den Dritten Weltkrieg?
Keine Ahnung. Kann schon sein. Das wäre entsetzlich. Aber was ist die Alternative? Weil Putin Atomwaffen hat und einen nuklearen Weltkrieg entfesseln könnte, muss man vor ihm zurückweichen und ihn einfach machen lassen? Das ist absolut inakzeptabel.
Ich will keinen Krieg. Schon gar keinenen Atomkrieg. Weiß Gott nicht. Aber ich will auch keine Abholzung der Regenwälder, keine Unterdrückung der Uiguren und keine Müllinseln in den Weltmeeren. Irgendwer muss endlich etwas tun, damit irgendetwas davon aufhört. Bis hierher und nicht weiter. Das Risiko, das dabei einzugehen ist mag unkalkulierbar und letztlich ungeheuerlich sein. Der mit Sicherheit zu entrichtende Preis dafür, es nicht zu tun, ist allerdings mindestens genauso hoch. Vielleicht nicht gleich, aber bald und dann für immer.

Balken und Splitter (66)

Ach ja, wie großzügig man in Deutschland hilft! Und selbstverständlich verfährt man wie immer gründlich, ordentlich und wohlorganisiert.
 
In Hamburg sind bis Sonntag 1.800 Flüchtlinge (Neusprech „Geflüchtete“) aus der Ukraine angekommen. Zu viele für die Aufnahmeinrichtungen. Darum hat die Stadt eine Messehalle zur Verfügung gestellt. Betrieben wird sie vom Roten Kreuz. Meldungen zu Folge gibt es für all die Menschen zwei Dixie-Klos. Und kein Klopapier.

Unterdessen überlegt die deutsche Bundesregierung, welchen Militärmüll aus alten NVA-Beständen man noch bei den Ukrainern entsorgen könnte.

Haben wenigstens die Bundswehrsoldaten in Litauen inzwischen warme Unterwäsche?

Währen die öffentliche Hand sich wie immer bis auf die Knochen blamiert mit ihrer Unfähigkeit, Bürokratie und Geschwätzigkeit, sind tausende Privatpersonen im Einsatz, um wirklich zu helfen.

Irgendwas mit Einhörnern

Man erwähnt eigentlich nie, dass mehr Frauen vom Einkommen ihrer Ehemänner und Lebensgefährten leben als umgekehrt, sogar noch nach einer Scheidung.
Man erwähnt nie, dass man sich in Volkswirtschaften, in denen es Tarifverträge, Gehaltstabellen und anderes gibt, was Erwerbseinkommen transparent und geschlechtsunabhängig macht, schon sehr dämlich anstellen muss, um als Frau „für dieselbe Arbeit“ weniger bezahlt zu bekommen als ein Mann in derselben Position.
Man erwähnt eigentlich nie, dass Frauen, die ja insgesamt weniger verdienen, also auch auch weniger zum Gemeinwohl weniger Steueraufkommen beitragen und weniger in die Sozialsysteme einzahlen, obwohl sie mehr Transferleistungen in Anspruch nehmen als Männer: diverse Sozialhilfen, mehr Arztbesuche, längere Lebenszeit …
Man erwähnt eigentlich nie, dass die unbezahlte Hausarbeit, die Frauen angeblich verrichten, auch anfällt, wenn sie (allein oder mit einer Frau zusammen) leben, sodass die zusätzliche Arbeit überschaubar bleibt: Ob ein Topf abgewaschen wird, in dem ein oder zwei Portionen gekocht wurden, bleibt sich gleich; allenfalls seine Teller, sein Besteck und dergleichen fielen zusätzlich für die Spülmaschine an. Ob sie, wenn sie ohnehin die Waschmaschine anwirft, auch seine Schmutzwäsche mitwäscht, macht nicht viel Unterschied. Und staubwischen, staubsaugen, Fenster putzen, Böden schrubben müsste sie auch als Single (oder Lesbe). Und sollen Eltern wirklich dafür bezahlt werden, dass sie sich um ihre Kinder kümmern? Oder um pflegebedürftige Angehörige?
Man erwähnt eigentlich nie, dass allerhand schwere und schmutzige körperliche Erwerbsarbeit nach wie vor Männersache ist, während Büroarbeit und Handel weiblich dominiert sind. Niemand kommt anscheinend auf die Idee, den Slogan „Mehr Frauen in Männerberufen“ auch auf Bauarbeiterinnen oder Kanalräumerinnen auszudehnen.
Man erwähnt eigentlich nie, dass es innerhalb kapitalistischer Logik gar keinen Sinn macht, Frauen von bestimmten Funktionen und Positionen abzuhalten, wenn sie tatsächlich immer dieselbe Leistung für dasselbe Geld erbrächten. Warum sollte ein Betrieb oder eine Volkswirtschaft auf erzielbare Profite verzichten, die durch Diskriminierung verhindert würden?
Man erwähnt eigentlich nie, dass es überwiegend Frauen, die auch die Jungs erziehen: in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Literatur- und Bibliotheksbereich. Und Frauen erziehen auch die Mädchen.
Man erwähnt eigentlich nie, dass trotz aller gesetzlichen Gleichberechtigung, expliziter Frauenförderung und ubiquitärer feministischer Propaganda das dominante weibliche Ideal ― also Ideal von Frauen! ― offensichtlich immer noch das geschminkte, aufgebretzelte, gegebenfalls umoperierte, magersüchtig wirkende Model ist, das auf hochhackigen Schuhen und halbnackt durch die glitzernde Konsumwelt stolpert. Kleine Mädchen halten sich immer noch am liebsten für Prinzessinnen oder Ballerinen, jedenfalls wollen sie meistens irrsinnig gern irgendwas Pinkes mit Einhörnern haben.

Samstag, 5. März 2022

Drei böse Kommentare

Einer schreibt, er sei zu alt für diesen Scheiß. Er sei krank und müde und wolle sich um all das nicht mehr kümmern müssen, sondern am liebsten nur noch auf ein Kissen gelehnt aus dem Fenster schauen und nach unten brüllen: „Hier dürfen Sie nicht parken!“ ― In Wahrheit hat er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als Leuten von oben herab zugerufen, was sie nicht dürfen. Zum Beispiel nicht sagen, was man darf und was nicht. Das sei Urteilen, und urteilen dürfe man nicht, urteilte er oft. Und über mich urteilte er oft und gern, dass ich zu oft und zu gern urteilte. Ich gönnte ihm seine Fensterbank und hätte keine Sympathien mit Falschparkern, ich sehe nur nicht, was sich da für ihn änderte oder für seine Mitmenschen, wenn es um Verkehrsregeln und nicht mehr um Diskursregeln ginge.

Ein anderer schreibt, er arbeite derzeit viel und habe zum Glück keine Zeit, sich um irgendwelches weltbewegende Kriegsgedöns zu kümmern. ― Das sollte man den Menschen, die im Kriegsgebiet umgebracht werden sollen, mitteilen, es wird sie sehr interessieren. Dabei ist er doch nur enttäuscht, dass seine (marxistisch fundierten) Analysen einmal mehr alle falsch waren, dass jetzt „der Westen“ doch nicht ganz böse ist und der Stalinschüler P. sich unzweifelhaft als irrer Massenmörder erweist.

Derselbe schreibt, er wäre schon dankbar, wenn man die Lage wenigstens nicht so weit eskalieren würde, dass er sich am Ende in einem Atomschutzbunker verkriechen müsse. Da sei ihm sogar der Einmarsch der Russen lieber. ― Das glaubt man ihm sofort. Sein ganzes Leben lang war ihm der Russe lieber, dieses Allzweckschreckgespenst, früher ausstaffiert mit marxistischem Versatz, dann wenigstens mit antiwestlichem Ressentiment. Nach dem Kommen des Russen konnte man sich klammheimlich sehnen, weil der ja hoffentlich alle massakrieren würde, die immer so gemein zu einem waren. Marxismus als infantiler Regress, als Gedankenspiel mit den Dinosaurieren und Robotern, die Mama und Papa in die Schranken weisen können. Allerdings verstehe ich nicht, was er im Fall des Falles überhaupt im Bunker will. Glaubt er, er werde dort den Atomkrieg überleben? Wozu würde er das wollen? Ist eine nur noch von Ratten und Kakerlaken bevölkerte Erde sein eigentliches Ideal?

Freitag, 4. März 2022

Am neunten Tag

Ich bin nicht fassungslos. Auch nicht sprachlos. Für mich hat sich nichts verändert. Fast nichts. Und doch wieder einmal alles.

Seuche. Teuerung. Krieg. Hunger. Heuschrecken. Erdbeben und Vulkanausbrüche. Sturmfluten. Plastik in der Umwelt und im Körper. Euthanasie. Kybernetisierung. Blutige Diktaturen feiern die olympische Idee.

Und Putin überfällt die Ukraine.

Krieg also. Es war auch vorher schon Krieg, auch und gerade dort. Aber jetzt ist es erst recht Krieg. Jetzt kann keiner mehr wegschauen. (Sollte man meinen.)

Darf das wahr sein? Es ist so völlig absurd, so absolut irreal, so total abstrakt. Und doch findet es statt. Es ist Wirklichkeit. Ganz konkret. Menschen sterben, Dinge werden zerstört. Krieg. Jetzt. Hier. Wie kann das sein? Wer macht so etwas? Wer lässt das zu?

Krieg war schon oft. Krieg ist auch anderswo. Dies ist nur ein weiterer Krieg. Nur.

Es ist unfassbar. Im Radio dasselbe Gedudel, dieselbe Reklame wie jeden Tag. Im Fernsehen dieselben Filme, Serien, Shows wie jeden Tag. Immerhin werden Karnevalsumzüge abgesagt. Und dauernd gibt es Sondersendungen, die auch nichts anderes als zu berichten haben als die Nachrichten (und für die es eigene Nachrichtensender gäbe).

Ein Rückfall in die Realität: Nach über zwei Jahren des Wahns, gegen ein tödliches Virus kämpfen und dafür Grundrechte, Ethik, Vernunft opfern zu müssen, wird schlagartig etwas anderes zum beherrschenden Thema, und das zuletzt von pandemischen Wellen geknechtete Europa schwenkt um zu einer Woge der Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Was hätte man sich ― und den Ukrainern und Ukrainerinnen! ― ersparen können, wenn man schon 2014 gesagt hätte: Halt, nicht weiter! Zurück, marsch, marsch. Und jetzt, hätte man damals sagen müssen, nach der Eroberung der Krim und dem Einmarsch in die Ostukraine, tritt die Ukraine erst recht der NATO bei und außerdem der EU. 2014 hätte man sich 2022 ersparen können.

Krieg also. Man kann dagegen sein, und ich bin es, aber wenn er schon stattfindet, dann kann man nicht so tun, als gäbe es ihn nicht.

Oder doch. Manche können es. Manche halten Putin immer noch die Stange. Am russischen Überfall auf die Ukraine sei der Westen schuld. Die Einkreisung durch das Verteidigungsbündnis. Die US-amerikanischen Interessen. Es sei auch gar kein richtiger Krieg. Die Ukrainer sterben aus reiner Bosheit, wenn sie von den Russen bombardiert werden. Diese Faschisten! Diese Antisemiten! Und außerdem gibt es gar keine Ukrainer, die sind ja doch bloß Russen!

Das alles ist widerlich und dumm. Dass darunter auch Leute sind, die Kritik am Coronaregime geäußert haben (zum Teil durchaus vernünftige Kritik) finde ich besonders abstoßend, wie ich ja schon seit langem die Zustimmung (und sei es durch Schweigen) zum Coronaregime durch Leute, deren kritische Einstellung zu wissenschaftlicher Wahrheitsproduktion, Realitätssimulation, Überwachungsstaat, Biopolitik usw. usf. ich zuvor vorausgesetzt und zum Teil sogar gekannt und geschätzt hatte, erstaunlich abstoßend fand und finde. (Und dafür abgestraft werde.)

Na und? Was ist daran so ungewöhnlich, das ich nicht allem zustimme, was jemand sagt, manchem schon? Inwiefern spricht das gegen mich und meine Sicht der Dinge? Gar nicht. Ich will versuchen, es grundsätzlich zu erklären: X vertritt die Überzeugungen A und B, Y vertritt die Überzeugungen C und D. Ich kann sehr wohl B und C zustimmen und A und D zurückweisen. Dass weder X noch Y mich deshalb als einen der Ihren anerkennen, damit kann ich leben. Magis amica veritas.

Und jetzt ist Krieg. Wie fast immer. Nicht nur der Weltbürgerkrieg, als den ich die Weltwirtschaftsordnung, also eigentlich die Weltwirtschaftsunordnung, zu betrachten pflege, sondern sozusagen Krieg im Krieg.

Das stört. Und das ist gut. Auch die abgestumpften, zerstreuten, satten, abgelenkten, systematisch desinformierten und verblödeten Menschen „des Westens“ haben einen klaren Moment und begreifen: So nicht!

Aber Moment mal! Dieselben Regierungen, deren Coronapolitik ich von Anfang auch deshalb ablehnte, weil ich sagte, die da jetzt angeblich so besorgt um Leib und Leben ihrer Untertanen seien, seien doch dieselben Regierungen, die sonst für Ausbeutung, Umweltzerstörung und Verblödung arbeiteten, diese selben Regierungen also unterstützen jetzt die richtige Seite? Eben noch Hysterie und Panik und jetzt Empörung, Solidarität und praktische Hilfe? Nun, man hat gesehen, wie sie gezögert haben, wie sie unverantwortlich lange von Dialog gequatscht haben. Wie sie weiter Geschäfte machen wollten (und sie zur Stunde auch immer tatsächlich noch machen!). Der Krieg wurde ihnen aufgezwungen. Sie haben bei ihm nichts zu gewinnen. Sie werden ihn für sich nützen. Sie sind immer noch der Feind. Ein Feind. Der sich zufällig genötigt sieht, einem anderen Feind entgegenzutrenen. Gut so.

Dass ich die real existierenden Demokratien ablehnen, heißt ja nun wirklich nicht, dass ich die Diktaturen gut finde, ganz im Gegenteil, ich will ja nicht weniger, sondern mehr als „Demokratie“ und „soziale Marktwirtschaft“. Im Konfliktfall weiß ich, wessen Partei ich ergreife. Dazu muss ich meine Haltung nicht ändern, meine Überzeugungen nicht aufgeben: für Freiheit und Gerechtigkeit, für Würde und Selbstbestimmung, für ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben. Gegen Unterdrückung, Lüge, Menschenverachtung. Das sind Kriterien und mit ihnen lässt sich etwas messen und entscheiden.

Immer wieder ist es doch so: Nicht meine Überzeugungen ändern sich ― außer durch Dazulernen und Umlernen auf Grund besserer Argumente, versteht sich ―, sondern die Verhältnisse ändern sich (wenngleich selten zum Besseren) und das Verhalten der Leute zu den Verhältnissen ändert sich. Ich war und bin gegen den Krieg: Ob nun „Krieg gegen das Virus“ oder „Befreiung der Ukraine von drogensüchtigen Faschisten“, beides ist von Grund auf falsch, weil die Voraussetzungen nicht stimmen, die Mittel untauglich sind, die Begründungen verlogen und weil die wahren Opfer verschwiegen werden.
 
Also meine ich, mir und meinen Überzeugungen auch unter schwierigen Bedingungen treu zu bleiben. Und das diese Überzeugungen mehr oder minder kohärent sind. Logisch und ethisch. Wie andere es schaffen, gegen eine „Coronadiktatur“ zu sein und mit Putins Diktatur zu liebäugeln, wie sie zu Recht in ihren Ländern Grundrechte einfordern können, deren Verweigerung in Russland offensichtlich ist, wieso sie die Propaganda der Pharmaindustrie kritisieren, aber die Lügen des Kremls selbst weiterverbreiten, all das verstehe ich nicht. Es geht mich auch nichts an. Ich suche nicht nach Verbündeten (oder gar einer Zugehörigkeit). Ich suche nach Wahrheit. Mir soll bloß die  Geschichte Recht geben. Am liebsten die Heilsgeschichte.

Ich will diesen Krieg nicht. Ich will gar keinen Krieg. (Das hat mich immer schon von „Linken“ unterschieden, die von Revolution als Massenmord und Bürgerkrieg träumten. Das und ihr theoretischer und praktischer Autoritarismus, ihre mal offene, mal klammheimliche Liebe zu diktatorischen Regimes.)

Ich will keinen Krieg. Ich will nicht sterben. Ich will nicht töten. Ich will nicht, das getötet und gestorben wird. Aber. Und es gibt ein Aber. Aber wenn es schon geschieht, dann soll die richtige Seite gewinnen. Denn es gibt eine richtige Seite und eine falsche. Es gibt Angreifer und Angegriffene. Es gibt Gut und Böse. Alle verlieren im Krieg: Ihr Leben, ihr Hab und Gut, ihre Moral, ihre Hoffnung, ihre Zukunft. Ihren Frieden. Ihr Heil. Also muss wenigstens verhindert werden, dass auch noch all der Verlust zum „Sieg“ der Unheilstifter werden kann.

Man braucht weder das Polen von 1939 gemocht haben, noch das Frankreich oder Großbritannien von damals. Man muss damals auch nicht Tscheche oder Jude (oder tschechischer Jude) gewesen sein. Aber ab spätestens dem 1. September 1939 gab es für keinen anständigen Menschen auf der Welt eine andere vertretbare Option, als gegen Hitlers Deutschland (und dessen Verbündete, zu denen bis 1941 die Sowjetunion gehörte) und für „den Westen“ Partei zu ergreifen. Und jeden, der in Wort oder Tat dagegen arbeitete, als Gegner zu betrachten. ― Ja, doch, man kann sehr wohl aus der Geschichte lernen: der Reigen der dialogversessenen Putinbesucher vor dem Krieg erinnert an München 1938 und die derzeitigen publizistischen Putinversteher sind Möchtegern-Hamsuns …

Wenn Krieg ist, muss er eben geführt werden. Man kann nicht so tun, als wäre er nicht. Aber ja, man könnte auch kapitulieren. Wenn man bereit ist, um der Rettung eigenen Interessen willen alle anderen zu verraten, ja, dann kann man schon mal vorauseilend kapitulieren.

Die Soldaten der Bundeswehr in Litauen haben zu wenig warme Unterwäsche, lese ich. Eines der reichsten Länder der Welt schert sich einen Dreck darum, ob seine Soldaten und Soldatinnen anständiges Unterzeug haben. Das ist irrational. (Und mies auch.) Man kann mit guten Gründen gegen Streitkräfte und Rüstung sein. Aber wenn man sich schon ein Militär leistet, dann sollte es funktionsfähig sein. Alles andere ist irrational. Wasch mir den Panzer, aber mach ihn nicht nass. Wenn schon eine Maschinerie zwecks Tötung und Zerstörung, dann so, dass sie zumindest ihre defensive und einschüchternde Funktion auch wirklich ausüben kann.

Das ist nicht Bellzismus, sondern Pragmatismus. Wenn schon, denn schon. Wenn nicht, dann nicht. Klare Verhältnisse und keine Halbheiten.

Igitt, Aufrüstung!, empört sich der Pazifismusspießer. Das will doch bloß das Kapital! Ja, stimmt, Krieg kostet nicht nur Leben und Sachgüter, er kostet auch Geld. Das heißt: Jemand verdient daran. Besser wär’s, wenn’s nicht so wäre, aber da es nun einmal so ist, muss man das Beste daraus machen. Krieg ist etwas Schlechtes. Ihn nicht zu verlieren, ist etwas Gutes.

Ich freue mich über die wirklich große und wirksame Hilfsbereitschaft, die besonders den aus der Ukraine Flüchtenden gilt. Plötzlich ist die EU in der Lage, auf Bürokratie, Demütigung und Entrechtung zu verzichten (wo war die entsprechende Rechtsvorschrift von 2001, die jetzt aktiviert wurde, eigentlich 2015 oder danach?). In Deutschland verzichtet die Bahn sogar auf Fahrscheinkontrollen! Ein unerhörter Vorgang. Wie hätte man sich das auch für Flüchtlinge aus Syrien, Libyen, Eritrea, Afghanistan usw. usf. gewünscht! Und wünscht es sich immer noch; ich jedenfalls. Darum: Alle erforderlich Unterstützung für die Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht! Und für die anderen Flüchtlinge nicht minder!

Was mich am meisten verblüfft: Hundertausende überqueren die Grenzen zu EU, viele Tausende werden auch in Deutschland aufgenommen ― und niemand fragt: Seid ihr geimpft? Wie oft? Oder genesen? Wenigstens negativ getestet? Solche Lächerlichkeiten sind (noch) kein Thema. Erst vor Kurzem noch war jeder Reiseheimkehrer misstrauisch als potenzielle Virusschleuder beäugt worden, man nahm absurde Einreisebeschränkungen und Quarantänevorschriften als Notwendigkeiten hin, die Gefahr kam aus dem Ausland. Welch ein erfreulicher Einbruch der Realität in den Coronawahn! (Dabei wird es allerdings nicht bleiben …)

Überall Gelb und Blau. In meinem Herzen sowieso. Nicht erst 2022, auch nicht erst seit 2014. Woher willst du wissen, ob das stimmt, was du über die Verhältnisse dort zu wissen meinst, wurde ich früher oft gefragt, du bist nicht vor Ort und sprichst nicht Ukrainisch. Ich verlasse mich auf die Schriftsteller, antwortete ich dann. Die Medien mögen lügen. Der Literatur, seit jeher eine Erfinderin von Wahrheiten, vertraue ich. Andruchowytsch und Schadan, um nur zwei zu nennen (denen ich zudem persönlich begegnen durfte), lügen nicht. So viele andere Autorinnen und Autoren lügen nicht. Selbst wenn sie einseitig, aus beschränkter Perspektive und mit bestimmten Interesse schrieben, wäre doch ihre Literatur wahr. Weil ich sie zu lesen verstehe (behaupte ich). Nicht, dass ich Belletristik mit Journalismus verwechselte, aber ich traue Romanen, Gedichten und Essays mehr als Reportagen. Wem ich vorher vertrauen konnte, dass er kein Lügner und Blender ist, dem darf ich auch in Krisenzeiten vertrauen. Und das sind eben die Leute, deren Handwerk ich einschätzen zu können vermeine, weil es auch das meine ist.

In einem Gespräch mit einer wichtigen oder sich zumindest wichtig nehmenden deutschen Zeitung (die den Text hinter einer Bezahlschranke hütet) sagte Jurij Andruchowytsch laut Schlagzeile: „Wenn es so weit ist, gehe ich zu den Partisanen.“ Ich verstehe genau was er meint. (Meine ich.) Das ist keine künstliche Dramatisierung. Keine Romantik. Das ist die innere Notwendigkeit eines fühlenden, denkenden, schreibenden Menschen, der in seiner Existenz als fühlender, denkender, schreibender Mensch tödlich bedroht ist. Der nicht hinnehmen darf, dass derartige Gewalt über ihn herrscht und alles auslöscht, wofür er lebt, und der sich darum gegebenenfalls mit Gewalt gegen die Gewalt wehren muss.

Wohl dem, der, wenn es so weit ist, ins Exil gehen kann oder der schon dort ist. Man hat ihm schon genommen, was ihm gehörte. Das Leben freilich nicht. Und vielleicht bleibt ihm die Sprache und das Schreiben. Aber einen Teil von ihm hat man zerstört. Für immer kaputt gemacht. Es gibt Schlimmeres als das Exil. Und doch verstehe ich jeden, der sich weigert, nur das Allerschlimmste nicht hinzunehmen, sondern der schon vorher nein sagt und nach Mitteln sucht, ganz praktisch gegen das Böse zu kämpfen.

Wohl dem, der Böses nicht mit Bösem vergilt. Wohl dem, der die andere Wange hinhält, wenn man ihn auf die eine schlägt; es sollte nur unbedingt und zweifelsfrei ausschließlich die eigene Wange sein …

Ich bin zu einem Viertel ukrainischer Abstammung. „Wir Ukrainer“ sind eine Nation von Partisanen. Bis weit in die 50er Jahre hinein kämpften „Nationalisten“ gegen die sowjetischen Besatzer. Sie unterlagen. Aber lieber starben sie für die Freiheit, als sie freiwillig aufzugeben. Zur Hälfte bin ich böhmischer Abstammung: Jan Palach verbrannte sich auf dem Wenzelsplatz, um gegen die sowjetische Besetzung der Tschechoslowakei zu protestieren. (Einen Monat später verbrannte sich Jan Zajíc, nochmals zwei Monate später Evžen Plocek.) Ich will das alles nicht, keinen Krieg, keine Partisanen, keine Märtyrer. Aber der Krieg findet bereits statt.

Als notorischer Wehrkraftzersetzer und habitueller Zivilist, der noch nie eine Waffe oder auch nur eine Uniform (und sei es von der Feuerwehr) getragen hat, bin ich nicht „für“ den Krieg. Ich hasse ihn aus ganzem Herzen. Allerdings findet er statt, und ich kann es niemandem verdenken, sich zu wehren. Auch wenn dazu Töten und Zerstören gehört. Ich bin nicht in der Situation, vom Schreibtisch aus über die Verteidiger ihrer selbst, ihrer Angehörigen und ihrer Landsleute (und letztlich menschlichen Werte) irgendwie zu urteilen. Wer weiß, was ich selbst täte, wenn nicht bloß ich, sondern alles, was mir etwas bedeutet, durch einen irren und albernen Diktator und seine Kriegsverbrechen bedroht würde. Gewaltlosigkeit muss man sich erst einmal leisten können. Sie hat ihren Preis. Könnte ich ihn aufbringen?

Ich will auch nicht, dass Russen sterben. Junge Männer sehe ich vor mir, unschuldig, unwissend, dumm gemacht, nichts Böses wollend, zum Bösen gezwungen. Mit Freude lese ich die Meldung (die bitte wahr sein möge!), wonach Polizei und Zivilisten Panzer aufgehalten und deren Besatzungen sich widerstandslos ergeben hätten. Jeder Mensch ist mein Bruder oder meine Schwester. Ich will nicht seinen oder ihren Tod. Aber. Und es gibt ein Aber. Wenn die einen Brüder die anderen Brüder umbringen wollen, haben die alles Recht der Welt, sich zu wehren.
 
Ich will auch nicht, dass irgendein Russe, der im Ausland lebt und mit Putins Krieg nichts zu tun hat, auch nur scheel angesehen wird. Wie widerwärtig ist das denn! Gewissen Leuten ist wie immer nichts zu blöd. Backshops nehmen „Russischen Zupfkuchen“ (eine in Russland unbekannte Mehlspeise) aus dem Sortiment. Russlanddeutsche werden (weiterhin) angepöbelt. Und und und. Die Woge der Hilfsbereitschaft hat am Rande Verwirbelungen der Bosheit. Dumm und bösartig sind die Menschen , wenn man sie lässt! Die Anständigen sollten dem entgegentreten.

Dirigenten zu entlassen oder Sängerinnen nicht auftreten zu lassen, weil sie nicht die gewünschte Gesinnungsbekundung abgeben, ist schäbig. Eine persönliche Bekanntschaft mit Putin ergibt keine Kontaktschuld. Auch Nationalismus wäre von Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Leute sind ja nicht erst seit gestern auf diese oder jene Weise mit der Macht verklüngelt. Man betrachte den Einzelfall und handle nicht aus vorauseeilendem Ressentiment gegen alles „Russische“. Wenn also einer Putins Krieg ausdrücklich unterstützt: Hinaus mit dem Schuft! Wenn aber einer nur nichts sagt, etwa weil er zu Hause noch Familie und Freunde hat, für die er Repressalien befürchtet, dann reagiere man mit Milde und Verständnis.

Wirtschaftliche Sanktionen treffen auch die „kleinen Leute“ in Russland. Das ist nicht zu vermeiden. Und der Krieg trifft die Menschen in der Ukraine noch viel härter. Darum dürfen, müssen und können die Sanktionen kaum scharf genug sein. Und sie sollten nicht bloß die Oligarchen treffen, die Putin im Grunde völlig wurscht bis verhasst sind, sondern die komplette Hierarchie seines Herrschaftsapparats. Seine bürokratischen, polizeilichen, geheimdienstlichen militärischen Handlanger. Keine Konten, keine Shoppingtouren, keine Villen, keine studierenden Kinder mehr für sie im „Westen“!

Putins Krieg ist nicht nur einer gegen die Ukraine. Auch nicht nur gegen den Westen. Putins Krieg ist ein Krieg gegen alle Menschen. Nichts, was Wert hat, ist vor ihm sicher. Putin führt Krieg, weil er es kann. Das Böse ist grundlos. Ideologien sind doch bloß Vorwände. (Die Bolschewiken waren Marxisten, weil sie an die Macht wollten, nicht umgekehrt.) Wer von Geopolitik, Sicherheitsinteressen oder dergleichen schwatzt, hat nichts begriffen. Herrschaft wird um der Herrschaft willen ausgeübt. Krieg ist eines ihrer Mittel, gerade weil dabei so sinnlos und unwiederbringlich Leben und Güter vernichtet werden.

Das Undenkbare kommt der Realität gefährlich nahe. Fast hätte man die gewaltigen Vorräte an Atomwaffen, die überall auf der Welt in falschen Händen sind, schon vergessen haben können. Nun kann man wieder gar nicht anders, als an sie zu denken.

Es ist letztlich noch immer gut gegangen. Nichts garantiert, dass das so bleibt. Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Kästner). Es muss alles getan werden, um nicht das Böse gewinnen zu lassen.

Ich will diesen Krieg nicht. Aber er findet statt. Ich will ihm nicht zum Opfer fallen. Auch andere sollen nicht zu seinen Opfern werden. Aber. Und es gibt ein Aber. Aber wenn es schon Opfer gibt, soll es sie nicht „umsonst“ gegeben haben. Die gute Seite muss gewinnen. Wenigstens ein bisschen. Zumindest darf sie nicht alles verlieren.

Наша дума, наша пісня
Не вмре, не загине …
От де, люде, наша слава,
Слава України!
 
Героям слава!