Samstag, 5. März 2022

Drei böse Kommentare

Einer schreibt, er sei zu alt für diesen Scheiß. Er sei krank und müde und wolle sich um all das nicht mehr kümmern müssen, sondern am liebsten nur noch auf ein Kissen gelehnt aus dem Fenster schauen und nach unten brüllen: „Hier dürfen Sie nicht parken!“ ― In Wahrheit hat er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als Leuten von oben herab zugerufen, was sie nicht dürfen. Zum Beispiel nicht sagen, was man darf und was nicht. Das sei Urteilen, und urteilen dürfe man nicht, urteilte er oft. Und über mich urteilte er oft und gern, dass ich zu oft und zu gern urteilte. Ich gönnte ihm seine Fensterbank und hätte keine Sympathien mit Falschparkern, ich sehe nur nicht, was sich da für ihn änderte oder für seine Mitmenschen, wenn es um Verkehrsregeln und nicht mehr um Diskursregeln ginge.

Ein anderer schreibt, er arbeite derzeit viel und habe zum Glück keine Zeit, sich um irgendwelches weltbewegende Kriegsgedöns zu kümmern. ― Das sollte man den Menschen, die im Kriegsgebiet umgebracht werden sollen, mitteilen, es wird sie sehr interessieren. Dabei ist er doch nur enttäuscht, dass seine (marxistisch fundierten) Analysen einmal mehr alle falsch waren, dass jetzt „der Westen“ doch nicht ganz böse ist und der Stalinschüler P. sich unzweifelhaft als irrer Massenmörder erweist.

Derselbe schreibt, er wäre schon dankbar, wenn man die Lage wenigstens nicht so weit eskalieren würde, dass er sich am Ende in einem Atomschutzbunker verkriechen müsse. Da sei ihm sogar der Einmarsch der Russen lieber. ― Das glaubt man ihm sofort. Sein ganzes Leben lang war ihm der Russe lieber, dieses Allzweckschreckgespenst, früher ausstaffiert mit marxistischem Versatz, dann wenigstens mit antiwestlichem Ressentiment. Nach dem Kommen des Russen konnte man sich klammheimlich sehnen, weil der ja hoffentlich alle massakrieren würde, die immer so gemein zu einem waren. Marxismus als infantiler Regress, als Gedankenspiel mit den Dinosaurieren und Robotern, die Mama und Papa in die Schranken weisen können. Allerdings verstehe ich nicht, was er im Fall des Falles überhaupt im Bunker will. Glaubt er, er werde dort den Atomkrieg überleben? Wozu würde er das wollen? Ist eine nur noch von Ratten und Kakerlaken bevölkerte Erde sein eigentliches Ideal?

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