Freitag, 27. Januar 2012

Aufgeschnappt (bei einem Katholiken)

Ich kenne einige Bischöfe persönlich und muss sagen, das sind alles keine schlechten Menschen. Auch kann man ihnen nicht vorwerfen, korrupt oder machthungrig zu sein. Aber Mut und Liebe zur Wahrheit ist wohl nicht ihr hervorstechendes Merkmal. Sie wollen vor allem beliebt sein.
 
Prof. Robert Spaemann (Philosoph)

Sonntag, 8. Januar 2012

Ein „Bischof“ spricht

Muss man eigentlich, um bei den Protestanten auf der Karriereleiter nach oben zu kommen, ein bisschen doof sein? Oder wie kommt es, dass Vertreter der „evangelischen“ Chefetage immer den Eindruck machen, sie hätten sich erst eben vorhin arg am Kopf gestoßen? Wie ich auf die Frage komme? Weiß ich auch nicht. Anderes Thema: Der lutherische „Bischof“ in Österreich, Michael Bünker, hatte nach Weihnachten und Silvester offensichtlich zu viel Freizeit und hat darum gerade ein Interview nach dem anderen gegeben und dabei erwartungsgemäß viel Banales und viel Unsinniges gesagt.
Wenn er beispielsweise einmahnt, die Folgen der Krise und die Kosten ihrer Bewältigung sollten nicht auf den Schultern derjenigen abgeladen werden, die ohnedies schon zu wenig haben und die vor allem auch nicht diese Krise verursacht haben, dann gibt er damit bloß zu erkennen, dass er den Sinn der „Krise“ nicht kapiert hat. Im Kapitalismus sind Krisen für diesen, also seine Profiteure, nichts Schlechtes, sondern haben eine wichtige Funktion. Das ganze System ist in permanentem Umbau begriffen, und Krisen dienen dazu, die dafür nötig Dynamik zu mobilisieren. Es ist schließlich noch nie um etwas anderes gegangen als darum, Reichtum zu erzeugen, und dabei fällt eben auch Armut an. Wenn man die Kosten des Reichtums nicht auf die Armen abwälzen wollte, könnte man sich die ganze Krise, gar den Kapitalismus ja gleich sparen.
„Bischof“ Bünker weiß davon, so scheint es, nichts, gibt aber den scharfen Sozialanalytiker. Die Kluft zwischen Armen und Reichen werde immer größer, die Einkommensunterschiede zeigten, dass da sicherlich etwas aus dem Gleichgewicht geraten sei. Hä? Wann je bestand denn da ein Gleichgewicht? In welcher guten alten Zeit vor welcher bösen Krise klaffte da nichts? Nicht einmal vor dem 16. Jahrhundert, als Luther, Zwingli und Calvin als Handlanger weltlicher Mächte das Christentum ruinieren wollten, um es kapitalismuskompatibel zu machen, waren Reichen und Arm gleich reich.
Doch kaum ist man sicher, Herr Bünker wisse nicht, wovon er rede, spricht er sich dafür aus, Vermögenszuwächse und Erbschaften ab einer bestimmten Höhe stärker zu besteuern. Hier nun hat er ausnahmsweise einmal Recht — ist aber dermaßen unoriginell, dass man sich fragt, was die Gestaltung Steuerpolitik eigentlich einen Theologen angeht. Da sollten andere mehr dazu zu sagen haben. Das gilt auch für die von Bünker verkündete Einsicht, dass Investitionen, vor allem ins Bildungssystem, wirksam gegen das Entstehen von Armut seien. Ach nee, wirklich? Warum ist da bloß sonst noch keiner drauf gekommen? Vielleicht sollte man, verwegener Gedanke, Geld überhaupt nur für gute Zwecke ausgeben und nicht für böse? Denk mal drüber nach, Österreich!
Zurecht äußert Herr Bünker Kritik an der Streichung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit durch das Faymann-Spindelegger-Regime (vulgo österreichische Bundesregierung) und am österreichischen Fremden- und Asylrecht. Dass er irgendetwas Wirksames dagegen unternehmen will, lässt er aber nicht erkennen. Mit Sonntagsreden wird man freilich Politiker schwerlich beeinflussen können, die halten die selber.
Überraschenderweise meint sodann der Lutheranerhäuptling außer zu politischen auch zu religiösen Angelegenheiten seinen selbstangerührten Senf dazugeben zu müssen. Er wünsche sich, sagte er, „die Zulassung von Nicht-Katholiken zur Eucharistiefeier“. Er meint zur Kommunion. Die Gründe, die zweifelsfrei dagegen sprechen, dass nämlich für Protestanten und Katholiken, hielten sie sich an die Lehren ihrer Vereine, Eucharistie nicht gleich Eucharistie ist, scheint er nicht zu kennen oder nicht zu verstehen. (Vielleicht war er im Theologiestudium viel krank. Kopfschmerzen? Irgendwo dagegengelaufen?)
Es steht ja meines Wissens Herrn Bünker und seinen Mitprotestanten völlig frei, ihren Irrlehren abzuschwören und katholisch zu werden. Dann dürften sie sicher auch die Kommunion empfangen, und das Problem wäre gelöst. Aber Häretiker bleiben und bei den Katholiken mitnaschen, das geht ja nun gar nicht. Diese theologiefeindliche religiöse Indifferenz nach der Devise „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ ist nicht nur unappetitlich, sondern im Kern blasphemisch.
Dass er auch und besonders von kirchlichen Dingen nichts versteht, stellt Herr Bünker weiters unter Beweis, wenn er behauptet, vom Modell der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa könnten auch andere Kirchen lernen, wie eine Kirchengemeinschaft aussehen könne. Das stimmt schon darum nicht, weil protestantische Vereine, sie mögen sich nennen, wie sie wollen (und ihre Funktionäre mit Titeln wie Bischof oder meinetwegen Papst aufmotzen), aus der Sicht echter Kirchen gar keine sind. Die Katholiken, Orthodoxen und Altorientalischen müssten also erst einmal das protestantische „Kirchen“-Verständnis übernehmen, also aufhören, Kirchen zu sein, um sich nah Bünkers Modell zu einer „Kirchen“-Gemeinschaft herabwürdigen zu können. Das hätten die Protestanten und sonstigen Kirchenhasser wohl gern!
Nein, auch jedem Nichtkatholiken, der seine fünf Sinne beisammen hat, muss klar sein:  Die Einheit der Christenheit kann und wird, wenn überhaupt, nur katholisch und orthodox sein. Zum Glück ist ja der Protestantismus in Mitteleuropa, auch dank solcher Chargen wie Bünker, im Schwinden begriffen. Nur der amerikabasierte protestantische Fundamentalismus (der sich gern auch als Katholizismus kostümiert, siehe Santorum) ist noch ein sehr ernstes Problem. Aber auch davon versteht „Bischof“ Bünker selbstverständlich nichts.

Sonntag, 1. Januar 2012

Silversterscherze eines Purpurträgers

Hat da einer schon vorzeitig am Silvesterpunsch genascht? In seiner Fernsehansprache zu Kalenderwechsel habe sich, so wird gemeldet, Christoph Kardinal Schönborn für die sogenannte Schuldenbremse ausgesprochen und zwar mit der Begründung, dass das soziale Netz unter der Last der Schulden zu zerreißen drohte. Es sollten aber, so der Erzbischof von Wien weiter, die ohnehin Armen den Gürtel nicht noch enger schnallen müssen.
O weh, da hat mal wieder einer die Pointe nicht verstanden! Die „Schuldenbremse“ führt man schließlich einzig und allein zu dem Zweck ein, ein Argument für Sozialabbau zu haben. Niemand zwingt ja Politiker dazu, zusätzlich zur Verschwendung von Steuergeld, dass sie sich genommen haben, auch noch das Geld auszugeben, dass sie sich im Namen der Steuerzahler geborgt haben. Wenn nun das Schuldenmachen, das ja auch vorher nicht Pflicht war, sondern Kür, plötzlich auf eine bestimmte Höhe beschränkt werden soll, gar durch eine Verfassungsbestimmung, dann doch nicht deshalb, weil man plötzlich eine neue, bessere, solidere Politik machen möchte. Sondern weil man bei allen „Begehrlichkeiten“ der Bedürftigen darauf verweisen können will: Geht nicht, kein Geld mehr da und auf Pump gibt's nichts mehr.
Der Herr Kardinal hat aber, wie berichtet wird, außer seinem charakteristischen Nichtverstehen der Zusammenhänge auch noch sehr gute Ratschläge für die Finanzpolitik anzubieten: Wer mehr habe, müsse auch bereit sein, mehr zu geben, soll er gesagt haben.  Ganz was Neues. Allerdings geht es, juristisch wie moralisch, nicht um Bereitschaft, sondern um Verpflichtung. Mit der Bereitschaft ist es nämlich tatsächlich nicht weit her. Steuerhinterziehung ist Sache der Eliten. Wer wenig hat, kann nur wenig geben, wer aber viel hat, will zumeist gar nichts geben.
Eminenz Schönborn soll zu dem Thema gesagt haben: Wer gibt, könne auch verlangen, dass der Staat mit seinem Geld sparsam und verantwortungsvoll umgeht. Moment mal, kann das nicht jeder verlangen? Ist das nicht sowieso ethische Verpflichtung der Politikmacher? Sparsamkeit und Verantwortung sind in Tat und Wahrheit freilich Vokabeln, die stets vor allem die im Munde führen, die nichts geben, sondern anderen etwas wegnehmen wollen. Und das sind in der Regel nicht die, die wenig haben, sondern die, die mehr als genug haben. Schließlich beruht der Kapitalismus doch wesentlich auf der Umverteilung von unten nach oben. Aber das hat der Herr Kardinal wohl auch noch nicht mitbekommen.
Der Kirchenfürst hat ganz andere Sorgen und darum ein bizarres „besonderes Anliegen“, dass nämlich nicht in verächtlicher Weise über Politiker hergezogen werden solle, wo doch die, so wird zitiert, „die das Steuer des Bootes in der Hand haben, auch unserer Solidarität und unserer Wertschätzung“ bedürften. Da fällt einem doch glatt das Punschglas aus der Hand! Meint der gute Mann das ernst? Jene Schießbudenfiguren und Watschengesichter, die in Österreich ihre peinliche Dreckspolitik machen oder machen wollen, sollen wertgeschätzt werden? Mit Abschaum à la [Namen bitte hier selbst einsetzen] soll man solidarisch sein? Ein schlechter Witz aus unberufenem Munde. Wenn einer die Realität nicht wahrhaben möchte, ist das womöglich seine Sache. Wenn er sich aber öffentlich vor eine gebührenfinanzierte Fernsehkamera hinstellt und mit der Autorität seines Amtes Unsinn schwafelt, dann wird’s gemeingefährlich. Bitte schnell die Punschbremse anziehen!