Mittwoch, 7. Mai 2025

Scholz heißt jetzt Merz

So eine bundestägliche Bundeskanzlerwahl ist ein schöner Anlass, sich nur mit Nebensächlichkeiten zu befassen, die politische und ökonomische Realität aber zu ignorieren und stattdessen so zu tun, als gäbe es nichts Wichtigeres als einen selbst („Deutschland“) und die rasend interessante Frage, wer wen wählt und warum nicht.
Zugegeben, es war lustig mitzubekommen, dass Merz im ersten Wahlgang scheiterte. Das war das Mindeste, was er und seine Kumpane verdienten. Von irgendeiner politischen Relevanz ist es allerdings nicht. Eine schlechte Regierung wird nicht besser, wenn bei ihrer Installierung alles glatt geht. Und umgekehrt; wenn ein Wunder geschähe und diese Regierung entgegen ihrem Sinn und Zweck keine neoliberale Politik vorantriebe, wäre es auch egal, wie holprig ihr Häuptling damals ins Amt kam.
Überhaupt nicht lustig hingegen war es, sich dem Tefaujournalismus auszusetzen. Weil die Herrschaften von Union und SPD wohl mit Wichtigerem befasst waren, holte man ― ich geriet zum Glück nur zufällig, kurz und beiläufig an solche Sendungsschnipsel und weiß also eigentlich nicht, wie repräsentativ sie wirklich waren ― AfD-Zombies vor Kameras und Mikrofone. Mit anderen Worten: Man bot gerade denen eine Bühne, von deren Partei man gestern und vorgestern noch sehr ausführlich berichtet hatte, der Verfassungsschutz schätze sie als „gesichert rechtsextrem“ ein. Wie denn nun? Öffentlich-rechtliche Verpflichtung auf freiheitlich-demokratische Grundordnung oder zwanglose Plaudereien mit Nazis?
Dass man den Unterhaltungs- oder doch Erregungswert des rechten Gesindels zu schätzen weiß, hat man über viele Jahre durch Talkshow-Einladungen und anderen Mist bis zum Überdruss bewiesen. Dass das die Nazitruppe überhaupt erst groß und scheinbar „normal“ gemacht hat, darf man vermuten. Wer kennte denn Weidel und Konsorten überhaupt, wenn deren widerwärtigen Visagen nicht dauernd über Bildschirme flimmerten und in gebührenfinanzierten Formaten ihren widerwärtigen, dummen und bösartigen Müll in die Köpfe der Leute stopfen dürften? ― Und das soll jetzt trotz „gesichert rechtsextrem“ so weitergehen?
Dass Merz schließlich doch noch zum Bundeskanzler gewählt wurde, ist erschreckenderweise beruhigend. Aber nur, weil weiterer Herumwählerei zuzuschauen (und dazu die substanzlose Berichterstattung aufgedrängt zu bekommen), und das womöglich tage- und wochenlang, schlechterdings unerträglich gewesen wäre. Freilich, wer deutscher Bundeskanzler ist, ist ähnlich bedeutsam wie die Zahl der in Schanghai umfallenden Reissäcke. Die Politik, für die so jemand stehen darf, ist schon gemacht. Details mögen variieren. Besser wird nichts. Und weniges deshalb schlechter, weil der Frontmann Merz und nicht April oder Dezember heißt.
Merzens und eines jeden anderen Kanzlers Macht ist durch seine Bereitschaft begrenzt, sich der Macht der Lobbys und Konzerne zu unterwerfen. Aber darüber zu reden und über den beschissenen Zustand der Welt, statt über Formalien der Geschäftsordnung, wäre ja laaangweilig.

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