Dienstag, 9. November 2021

Gedenken

Nie wieder, nie wieder, nie wieder, sagen sie, während es gerade geschieht. In anderer Gestalt, weshalb sie so tun können, als bemerkten sie nichts. Gut möglich, dass sie wirklich nichts bemerken. Das haben sie sich ja angewöhnt. Sich nicht mit den Tätern und Mitläufern zu identifizieren ― das wird mit der Beliebigkeit „historischer Verantwortung“ und „Verpflichtung zu Erinnerung“ weggespült ―, sondern mit Überlebenden. Und mit dem Widerstand, der mystifiziert wird, während aktuell Abweichung, Widerspruch, Widersetzlichkeit abgewertet, ausgegrenzt, verfolgt werden.
Ich sehe und höre im Tefau Schülerinnen und Schüler, die die bewundern, die damals nicht mitmachten und sogar „Widerstand leisteten“, aber sie tun das bei einer Schulveranstaltung, bei der sich alle an die Maskenpflicht halten. Keiner findet’s absurd.
Staatliche Willkür, freiwillige Unterwerfung, Ausgrenzung von Gesinnungsfeinden und biologisch definierten Sündenböcken: Es fällt anscheinend niemandem etwas auf. Und falls doch, setzt es Empörung. Wer Vergleiche zieht, übertreibt und verharmlost. Als ob sich alles eins zu eins wiederholen müsste, damit man vom selben Ungeist sprechen dürfte.
Verharmlosen nicht in Wahrheit die, die die Vergangenheit einschreinen in Museen und Mahnmalen und weihevollem Gerede? Hat diese Abschottung des Gewesenen vom gerade Stattfindenden nicht einen Zweck? Je mehr man gedenkt, scheint es, je staatstragender und widerspruchsloser die Erinnerungspolitik ist, desto eher geht gleichzeitig fast jede Schweinerei anstandslos durch.

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