Die da von Frieden reden und ihn ohne Waffen schaffen wollen, befinden sich in der privilegierten Situation, dass sie nicht bombardiert werden, dass ihre Angehörigen nicht getötet, verstümmelt, gefoltert, verschleppt, vertrieben wurden, dass der Krieg, der auch gegen sie (und übrigens auch gegen ihr gutes Recht auf freie Meinungsäußerung) geführt wird, derzeit von den Ukrainerinnen und Ukrainern ausgehalten werden muss. Sie tun so, als ginge der konkrete Krieg sie nichts an, für sie existiert er nur als abstraktes Problem. Dieses Abstraktum macht ihnen Angst. Es fordert sie moralisch-ideologisch heraus. Sie wissen sich ihm aber überlegen und bekämpfen es mit ihren bewährten Parolen. Der wirkliche Krieg, der jetzt gerade stattfindet, interessiert sie allenfalls als Anlass, das zu wiederholen, was sie seit langem sagen. Die wirklichen Opfer sind ihnen ziemlich egal. Den Gedanken, wirksame Hilfe zu leisten, was ja vernünftigerweise auch Waffenhilfe bedeuten müsste, weisen sie von sich. Ihr Anliegen ist größer als die empirische Realität. Ihre Betroffenheit ist selbstgewählt und darum nicht so zufällig wie bei den Bedrohten, Bombardierten, Getöteten und denen, die ihr Hab und Gut verloren haben. Deshalb wissen sie besser Bescheid als diese. Ihr Urteil ist nicht von der Parteilichkeit der Leidenden verzerrt. Sie folgen unbeirrt ihren Überzeugungen. Was sie sagen, ist immer richtig, solange es nicht mit Tatsachen verglichen wird. Nicht nur ihre Vorstellungen von Krieg sind abstrakt, auch was sie mit Frieden meinen, ist nichts Konkretes. Die Waffen nieder, das ist ein guter Slogan. Aber anscheinend ist er mit der Duldung von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung vereinbar. Gesellschaftliche Bedingungen, wirtschaftliche Interessen, politische Voraussetzungen interessieren sie nicht. Sie haben keine konkreten, realitätsbezogenen, praktikablen Vorschläge zu machen. Sie haben Angst und sind im Recht, sie verfügen über moralische Grundsätze und ein reines, weil zur Selbstkritik unfähiges Gewissen. Mehr brauchen sie nicht. Dafür gehen sie auf die Straße. Dass sie damit der falschen Seite nützen und der richtigen schaden, ficht sie nicht an. Nicht alle werden von Russland bezahlt. Viele handeln auch bloß aus Dummheit so.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen