Samstag, 19. April 2025

Zeitgeistgeschwätz zum „Zwangszölibat“

Herr Grünwidl, derzeit Diözesanadminstator für das Erzbistum Wien, spricht sich in einem Interview für einen freiwilligen Priesterzölibat und gegen einen „Zwangszölibat“ aus. „Ich sehe nicht ein, dass es notwendig ist, zölibatär zu leben, um Priester zu sein. Das sehen wir ja aus unseren Schwesterkirchen, den orthodoxen Kirchen und auch bei den Pfarrerinnen und Pfarrern der evangelischen Kirche, dass es durchaus möglich ist, mit Familie eine seelsorgliche pastorale Aufgabe zu übernehmen.“
Stimmt, die Weltpriester der orthodoxen Kirchen (und übrigens auch der katholischen Ostkirchen, die Grünwidl nicht erwähnt, obwohl er in Österreich deren zuständigen Ortsbischof vertritt) können vor der Priesterweihe heiraten. Mönche aber selbstverständlich nicht, und aus dem Mönchtum stammen die Bischöfe. Es gibt also auch in den Ostkirchen einen „Zwangszölibat“, aber eben nicht für alle. ― Die Protestanten fallen als Vergleichsobjekte völlig aus, sie haben kein Weihepriestertum und kein Ehesakramtent. Ihre Vereinigungen sind auch gar keine Kirchen.
Grünwidls „Ich sehe nicht ein“ ist einmal mehr eine diese inkompetenten Äußerungen schlecht ausgebildeter, überheblicher Kleriker, die offensichtlich gar nicht übersehen, was sie mit ihrem Geschwätz anrichten.
Was soll ein „freiwillger“ Zölibat sein? Wie wirkte ein Priester, der nicht heiratet, auf die Leute in dieser Zeit? Mit dem kann doch was nicht stimmen, würde es heißen. Ist er pervers, schwul, pädophil? Nicht heiraten ist doch nicht normal.
Und wer Ehe sagt, sagt heutzutage auch Scheidung. Zivilrechtlich geschiedene Priester, das fehlt noch! Was kommt dann als Nächstes? „Wiederverheiratung“? Viel Vergnügen damit.
Grünwidl tut seiner Kirche mit unüberlegten Äußerungen keinen Gefallen. Im Gegenteil, er schadet ihr nach Kräften, indem er dem Zeitgeist huldigt, statt die überlieferte und wohlbegründete Haltung der Kirche zu verteidigen. Das erweckt den Eindruck, der Zölibat stehe offiziell zur Diskussion. Und das, obwohl Grünwandl überhaupt kein Argument gegen den obligatorischen Zölibat anführt. Er sagt bloß: „Es gab in der Kirche eine lange Zeit, in der es das Zölibat als Verpflichtung nicht gegeben hat.“ Stimmt nicht. Jesus war unverheiratet. Mönche und Nonnen waren immer schon Zölibatäre. Und was die Weltkleriker betrifft, da will Grünwidl plötzlich tausend Jahre und mehr zurück? Warum? Weil der Zeitgeist das so will?
Selbstverständlich faselt Grünwindl auch was von Priestermangel. Um es klar zu sagen: Wenn der geforderte Zölibat einen Mann daran hindert, sich für den priesterlichen Dienst zu entscheiden, dann weiß er sich eben nicht wirklich berufen oder entscheidet sich gegen die Berufung. Traurig, aber das ist dann halt so. verantwortlich muss man dafür wohl die kirchen-, priester- und keuschheitsfeindliche gesellschaftliche Stimmung machen, zu der Grünwidl mit seinem Gerede einen bescheidenen Teil beiträgt.
Aber gibt es überhaupt einen Priestermangel in der katholischen Kirche? Weltweit steigt Jahr für Jahr die Zahl der Geweihten. Nur Europa schwächelt. Aber herrscht dort Mangel? Rechnen wir nach: Zur Erzdiözese Wien gehören (2021) rein registratorisch 1.156.923 Katholikinnen und Katholiken. Es gibt (2020) 616 Priester (dazu 492 Ordenspriester). Das ergäbe 1.878 Katholiken je Priester (mit Ordenspriestern 1.044). Nur sind ja nicht alle Registrierten tatsächlich aktive Kirchenmitglied. Nimmt man die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher zum Maßstab, die bei höchstens zehn Prozent liegt, kommt man auf 190 bis 100 Gläubige pro Kleriker. Ist das wenig? Ist das ein Mangel? Wenn man freilich ein umfangreiches Verwaltungs-, Unterhaltungs- und Repräsentationsangebot aufrecht erhalten will, statt sich endlich als Katakomben-Kirche gegen den Mainstream zu positionieren … ― Mag übrigens sein, dass die Protestanten keinen Mangel an Pastoren und Pastorinnen haben; aber denen laufen, in Österreich und der BRD, die Gläubigen ja noch schneller davon als bei den Katholiken …
Es steht zu hoffen, dass weder Grünwidl noch irgendein anderer klerikaler Dummschwätzer der nächste Erzbischof von Wien wird. denn dann würde ich es sehr bedauern, aus dieser sich selbst nicht ernst nehmenden Kirche nicht austreten zu können. Weil ich genau wegen solcher Leute schon vor Jahren ausgetreten bin.

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