Sonntag, 8. Dezember 2024

Randthema Abtreibung?

Letztens* fragte mich ein Bekannter, was ich denn bloß gegen den Zeitgeist hätte, auf den ich immer schimpfte. Ich versuchte mich einmal mehr zu erklären (man lese dazu kritische Texte von mir) und wählte dann ein Beispiel, wo ich mit dem vorherrschenden Denken meiner Zeitgenossen ganz und gar nicht einverstanden sei, das Thema „Abtreibung“, oder wie ich unverblümt zu sagen pflege, Kindstötung.
Der Bekannte antwortete, Abtreibung sei ja kein Massenphänomen und niemand tue sich leicht damit; da sähen die Abtreibungsgegner einfach etwas, was es so gar nicht gebe.
Daraufhin besorgte ich mir rasch aus dem Internet aktuelle Zahlen. Offizieller Statistik zu Folge wurden im Jahre 2022 in der BRD (wo der Bekannte lebt) rund 739.000 Kinder geboren und rund 104.000 „abgetrieben“, also ungeboren getötet. (2023: 693.000 und 106.000.) Zusammen 843.000 Kinder (2023: 799.000), wovon die Getöteten demnach 12,34 Prozent ausmachen (2023: 13,27 Prozent), also ungefähr ein Achtel. (2023: deutlich mehr!) Wenn das kein Massenphänomen ist, weiß ich nicht, was eines wäre. Jedes fünfte Kind? Jedes zweite?
(Zur Gesamtzahl der Kinder, die hätten geboren werden können, gehören selbstverständlich noch die durch natürlichen Abort oder Unfälle und dergleichen gestorbenen. Deren Zahl habe ich ihr nicht nachgeforscht. Die Dimension der Abtreibungen würde dadurch wohl nicht verändert.)
Mehr als jede achte Schwangerschaft wird „abgebrochen“, was so harmlos-unschuldig klingt wie der Abpfiff eines Fußballspiels, in Wahrheit aber ein medizinischer Aufwand und ein blutiges Geschäft ist. Trotzdem ist dieses Massaker in der Gesellschaft nur insofern ein Thema, als jede Einschränkung des unbeschränkten Zugangs zu Verfahren der Kindstötung als „konservatives“ Unrecht angeprangert, wo doch die Verfügung von Frauen über ihren Körper deren ureigenstes Recht sei (was das Thema verfehlt, denn es geht ja um den Körper des Kindes); neuerdings wird „Abtreibung“ gar zum „Menschenrecht“ proklamiert. Neben dem Recht auf Leben und Unversehrtheit macht sich das Recht auf Tötenlassen unschuldiger Ungeborener allerdings etwas seltsam aus.
„Abtreibungsgegner“ gelten als Spinner, womöglich religiöse Fanatiker, die ein Randthema aufbauschen. Selbst gebildete Menschen wie der erwähnte Bekannte ignorieren die Dimensionen und reden sich zu ihrer eigenen Beruhigung ein, es gehe eh nur um ganz wenige Fälle. Die Zahl der Abtreibungen weltweit wird für die letzten Jahre auf 56 bis 73 Millionen jährlich geschätzt. Ist das wenig?

* Dieser Text wurde damals nicht zeitnah veröffentlicht, ich habe darum noch aktuellere Zahlen als die damaligen ergänzt.

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