Freitag, 20. Dezember 2024

Ein merkwürdiger Fall

Nicht, dass ich den Fall besonders interessant fände, aber da man ihn nun schon eine ganze Weile mit Begeisterung durch die Öffentlichkeit gezerrt hat, konnte ich nicht umhin, ihn zu bemerken, und so stellen sich mir zu dem, was ich da bemerkt zu haben meine, ein paar Fragen.
Habe ich das richtig verstanden? Eine Frau wird zehn Jahre lang von ihrem Mann betäubt und vergewaltigt und anderen Männern zur Vergewaltigung überlassen. Davon hat sie aber nie etwas mitbekommen, sagt sie, nur ihr unerklärliche Folgen: körperliche und seelische Probleme. Das mag so gewesen sein, ich kann das nicht beurteilen, aber vorstellen kann ich es mir auch nicht. Sie wurde mit einem Beruhigungsmittel betäubt, heißt es. Und es fiel ihr nie auf, dass sie manchmal ungewöhnlich müde oder ganz einfach weggetreten war? Eine Betäubung ist zudem etwas anderes als eine Bewusstlosigkeit. Die hätte ihr doch noch viel mehr auffallen müssen. Über zweihundert Vergewaltigungen Penetration durch über achtzig Männer und davon keine Spuren am Körper oder im Bett oder im Haus? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Anderes will ich mir nicht vorstellen, obwohl es vermutlich erschreckenderweise realistisch ist. Dass heterosexuelle Männer, darunter auch junge, eine alte (sechzig bis siebzigjährige) und, ich erlaube mir, das so zu sehen, sehr hässliche Frau gefickt haben sollen. Wie pervers muss man sein, um das zu wollen und zu können. Heterosexualität ist immer unappetitlich, aber das ist wirklich unvorstellbar widerlich.
Zur Ungewöhnlichkeit und, mit Verlaub, sehr eingeschränkten Glaubwürdigkeit des Falles passt die übergroße Aufmerksamkeit und einhellige Empörung. Die Frau als Opfer, die öffentlich sagt, dass sie ein Opfer ist ― was für eine Heldin! Zehn Jahre lang offensichtlich ohne Kenntnis vom eigenen Körper, nichts spürend, nichts hörend, nichts sehend. Über fünfzig Jahre mit einem Mann zusammen, verheiratet, geschieden, wieder verheiratet (und zuletzt wieder geschieden), einem Mann, den sie offensichtlich gar nicht kannte, dessen perverse Gelüste anscheinend nie zum Thema wurden und der sie offensichtlich sehr verachtete und zugleich begehrte.
Übrigens: Hatten die beiden außer den Vergewaltigungen auch noch „normalen“ Sex? (Oder was für Heteros halt als normal gilt …) Wenn schon alles ohne Scham aufgedeckt werden soll, darf auch eine solche Frage gestellt werden. Denn wenn nicht, wieso sagt ihr das nichts? Wenn doch, wieso erinnerte sie das an nichts?
Wer glauben möchte, dass der Fall sich so zugetragen hat, wie das Opfer, die Medien und das Gericht es für wahr erklärt haben, mag das tun. Sollte dann aber vielleicht bedenken, dass, wenn derlei wirklich war, es womöglich viele derartige Fälle gibt, dass also hinter den Fassaden normaler Heterosexualität oft die übelsten Abartigkeiten hausen dürften. Das sagt etwas über eine Gesellschaft und ihre Moral. Darum ist der Abscheu ja auch so groß: „Wir“ sind gut, die Verurteilten sind die Ungeheuer. Ist das glaubwürdig?

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