Sonntag, 3. April 2022

Nach mehreren Wochen

E. erklärt es zum legitimen Anliegen, für die Verteidigung des ukrainischen Nationalismus nicht in einen Atomkrieg hineingezogen zu werden. Er erinnert daran, dass die NATO diese Krise aktiv herbeigeführt habe, indem sie sich bis an die Grenze Russlands ausgedehnt und die Ukraine aktiv hochgerüstet habe, und dass der ukrainische Nationalismus ein relativ unschönes Bild abgibt, das hierzulande ins gerade Gegenteil umgelogen werde und es mit Sicherheit nicht wert sei, dafür in eine nukleare Konfrontation mit Russland einzutreten.
Krieg Krise zu nennen, ist leider nicht kriminell, aber dumm und niederträchtig. Ebenso verhält es sich mit dem Nachplappern von Putins Propaganda: Dass der Herr Diktator sich davon bedroht gefühlt habe, dass seine Nachbarländer einem militärischen Verteidigungsbündnis beitraten. (Es stimmt: Wenn Leute sich eine Alarmanlage oder einen scharfen Wachhund anschaffen, bedroht das das Geschäftsmodell von Einbrechern.) Aber Moment mal, hat denn etwa die angeblich „hochgerüstete“ Ukraine Russland angegriffen? Hat Putin etwa bloß präventiv einen ukrainischen Angriff verhindert? Und wenn die NATO Russland bedrohte (wie? womit? warum? zu welchem Zweck?), warum überfiel Russland dann die Ukraine, die gar kein NATO-Mitglied ist?
Solch rationale Fragen wirken angesichts von E.s dümmlichen Behauptungen und Andeutungen absurd und deplatziert. Diese haben ja mit Argumentation wenig bis bis nichts zu tun. Es geht um Affekte. Als Marxist mag E. einfach nicht akzeptieren, dass das postkommunistische Russland, das ja immer noch so an Stalin hängt, nicht doch irgendwie noch zum Endgegner des bösen Westens taugt. E. sehnt sich wider besseres Wissen danach, dass der Tschekist Putin, dessen Krieg er mit Worten übrigens durchaus verurteilt, doch ein bisschen Recht hat. Oder zumindest die Ukrainerinnen und Ukrainer ― und „der Westen“ ― ein bisschen Unrecht.
Deshalb holt er den „Nationalismus“ aus der Mottenkiste. Schon 2014 hatte E. klipp und klar erklärt, beim „Euromaidan“ und dem Sturz der von Janukowytsch handle es sich um einen faschistischen Putsch. (Zur Krim-Annexion fiel ihm dann folgerichtig auch nur ein, das Chruschtschow die Krim der Ukraine geschenkt habe.)
Jetzt also wieder: gezinkte Trumpfkarte ukrainischer Nationalismus! Den E. vermutlich daran erkennt, dass die Ukraine nicht kapituliert hat, sondern sich verteidigt. Angesichts solcher Böswilligkeit der Opfer wird er, der sonst nicht für seine Befürwortung von Gewaltlosigkeit (ein Spleen von abweichlerischen Linksradikalen, nicht von anständigen Bolschewisten wie ihm) bekannt ist, zum strengen Pazifisten. Die Waffen nieder! Zumindest die ukrainischen. Die Ukrainer sollen sich gefälligst töten, verstümmeln, foltern, verschleppen, berauben lassen, alles andere ist Militarismus und üble Kriegstreiberei!
Fakt ist: Zum Atomkrieg kommt es oder kommt es nicht, das hängt einzig und allein von Putin ab. Die Ukrainer, mögen sie so nationalistisch oder internationalistisch oder kosmopolitisch sein, wie sie wollen, haben damit nichts zu tun. Mein würfe ihnen denn vor, sich zu verteidigen. Das wäre also Nationalismus: sich nicht zu ergeben? Eine völlig irre Vorstellung. Und absolut niederträchtig noch dazu: Russland überfällt die Ukraine, überzieht sie mir einer unvorstellbar grausamen Kriegführung, und weil die, die noch nicht tot sind, sich weiter wehren, sind sie schuld, dass Putin härtere Saiten aufziehen und aufs rote Knöpfchen drücken muss?
Aber man kann E. beruhigen: Wenn es zum Atomkrieg kommt, muss er sich nicht fürchten. In den wird dann sowieso so ziemlich jeder auf der Welt „hineingezogen“. E. wird also mit ziemlicher Sicherheit draufgehen, wenn sein Großer Bruder im Kreml den nuklearen Selbstmord beschließt. Überleben werden diese Götterdämmerung übrigens, heißt es, vor allem Ratten und Kakerlaken. Na bitte, da hat E. dann noch einmal Glück gehabt, denn diese putzigen Tierlein sind ja fast so ein Ungeziefer wie seine geliebten Kommunisten!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen