Freitag, 8. April 2022

Zur Ideologie der Autonomie durch Ausbeutung

Nach zwei Jahren mit Hartz IV wolle sie wieder auf eigenen Beinen stehen, raus aus der Abhängigkeit, ein selbständiges Leben führen. So wird im Tefau exemplarisch von einer Frau erzählt, die eine Umschulung zur Busfahrerin gemacht habe und jetzt einen Job suche.
Äh, Moment mal: Lohnabhängigkeit als Unabhängigkeit? Es mag ja sein, ach was, es ist sogar sicher so, dass der Empfang von „Transferleistungen“ durch massive bürokratische Einschränkung und Rahmung als Ausgeliefertsein an Gnade oder Ungnade einer übermächtigen Institution erscheinen muss. Aber im Grunde gibt es Geld ohne Gegenleistung. Geld, das übrigens durch Steuern und Abgaben durch die aufgebracht wird, die dazu in der Lage (und verpflichtet) sind, und das nicht aus der Privatschatulle von Beamten oder Politikern stammt. Man spricht da von Solidargemeinschaft und Sozialstaat.
Dass die „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“, das heißt die Vermarktung der eigenen Arbeitskraft (Lebenszeit, Lebensenergie, Kompetenz usw.) Freiheit bedeute, wäre mal was ganz Neues. Es ist ein Geschäft, und zwar per definitonem eines, dass zu Ungunsten des Anbieters der Ware Arbeitskraft ausgehen muss, weil sonst der Abnehmer der Ware draufzahlen und so seinen Profit (der aber der Zweck des Geschäftes ist) schmälern würde.
Wie bescheuert oder ideologisch verhetzt müssen Journalisten eigentlich sein, um Lohnabhängigkeit zur Selbständigkeit zu verklären? Weil sie selbst unfrei sind ― offensichtlich nicht zuletzt intellektuell ―, sollen andere das unbedingt auch sein? Ausbeutung für alle, sonst gibt’s Krawalle?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen