Ein Gedicht darf alles, was es kann. Rühmen. Beobachten. Klagen. Langweilen. Erregen. Einen Nerv treffen. Einen Augenblick festhalten. Den Horizont erweitern, und sei es nur um zwei Millimeter. Fragen stellen. Antworten geben. Antworten verweigern. Mit der Sprache spielen. Sich verlieren. Bedeutendes sagen. Albern sein. Witzig sein. Rührend sein. Schön sein. Herausfordern. Überfordern. Sich empören. Zur Empörung aufrufen. Resignieren. Trauern. Wüten. Usw. Usf. Nur eines darf ein Gedicht nicht: poetisieren. Nämlich das hervortretende Ego des Poeten oder der Poetin mit Manierismen zu dekorieren versuchen. Die Selbstgefälligkeit, mit der viel zu viele ein paar Wörter in die Tastatur klopfen, verrät ihre Bedenkenlosigkeit und damit die Poesie. Ohne Formbewusstsein, ohne Anspruch auf bestmögliche Gestaltung kein wirkliches Gedicht. Alles kleinzuschreiben und Zeilen mehr oder minder willkürlich abzubrechen, simuliert zwar graphisch literarhistorische Errungenschaften, aber derlei macht bei weitem kein Gedicht aus. Derlei tut bloß so als ob. Solche mickrigen Machwerke, gerne verrätstelt und auch sonst unlesbar, sind das pseudo-avancierte Gegenstück zu den gereimten Gelegenheitsgedichten unterforderter Hausfrauen und launiger Geburtstagsgratulanten. Mit Poesie hat das so viel zu tun wie Uromas Häkeldeckchen oder Uropas Bierdeckelsammlung. Mancher Klospruch ist da poetischer. (Wenn die Leute heutzutage überhaupt noch zum Ausüben dieser alten Kunstform kommen und nicht auch beim Pissen und Kacken dauernd aufs Mobiltelephon starren müssen.)
Ein Gedicht darf, was es kann, es muss das aber auch wirklich können. Es muss den Anspruch zu verwirklichen versuchen, dass nur diese Form, die es hat, dem gerecht wird, was es sein soll. Form, nicht Stoff, Gestaltung, nicht Absicht und Meinung sind das Entscheidende. Vieles, was Gedicht genannt wird, ist nur poetisiertes Unvermögen, eine verbindliche Form zu finden.
Gottfried Benn war der Überzeugung, dass auch die bedeutendsten Dichter unter den vielen Hunderten von Gedichten, die sie schreiben, allenfalls eine Handvoll wirklich guter zu Stande bringen. Damit dürfte Benn durchaus Recht gehabt haben. Aber man darf daraus nicht folgern, dass man bloß sehr viele Texte schreiben müsse, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass irgendwann einmal ein gelungener darunter sei. Man kann, darf und soll als Dichter gewiss so viel schreiben, wie man muss oder will, aber keinesfalls ist immer alles, was einer so absondert, ein lesenswerter Text. Das Schreiben ist nötig, das Publizieren ist es nicht.
Ein Tischler, der Hunderte von Tischen tischlerte, von denen nur ein paar nicht wackeln, wäre ein schlechter Tischler und hätte wahrscheinlich seinen Beruf verfehlt. (Oder eine schlechte Ausbildung genossen.) Ein Dichter hingegen hat das Recht, ja die Pflicht, auch schlechte Gedichte zu schreiben ― er braucht sie ja nicht zu veröffentlichen! ―, um durch Versuch, Scheitern, neuen Versuch, besseres Scheitern usw. darauf hinzuarbeiten, auch einmal ein gutes zu schreiben.
Dichtung ist nicht gefühlsseliges Verseschmieden. (Wenn überhaupt noch jemand einen Begriff vom Unterschied von Vers und Zeile hat.) Inspiration, Geistesblitz, Sensibilität sind erlaubt, aber garantieren bei Weitem noch keine gelungene Gestaltung. Dichtung ist Handwerk, das auf jeden Fall, ein Können also, das man hat oder nicht hat, warum auch immer, aber dichterische Handwerkskunst muss, wenn nicht gedrechselter, gehäkelter, hingerotzter Kitsch und vorgefertigter Müll entstehen soll, immer aufs Neue erarbeitet werden. (Gewiss darf ein Schreibender sich Kunstgriffe beibringen. Mit immer denselben Methoden zu werkeln, wäre jedoch höchst unschicklicher Manierismus. Der Übergang zum Marinierten ist dann oft allzu leicht.) Das Material, das ein Dichter bei diesen seinen Selbstversuchen vergeudet, ist die unerschöpfliche, ewig nachwachsende Sprache, sein Handwerkszeug ist er selbst, und wenn er sich abnützt, dann ist das eben so. Gedichte müssen sein, Dichter aber sind sowieso hinfällig und sterblich.
Ein Gedicht darf, was es kann, es muss das aber auch wirklich können. Es muss den Anspruch zu verwirklichen versuchen, dass nur diese Form, die es hat, dem gerecht wird, was es sein soll. Form, nicht Stoff, Gestaltung, nicht Absicht und Meinung sind das Entscheidende. Vieles, was Gedicht genannt wird, ist nur poetisiertes Unvermögen, eine verbindliche Form zu finden.
Gottfried Benn war der Überzeugung, dass auch die bedeutendsten Dichter unter den vielen Hunderten von Gedichten, die sie schreiben, allenfalls eine Handvoll wirklich guter zu Stande bringen. Damit dürfte Benn durchaus Recht gehabt haben. Aber man darf daraus nicht folgern, dass man bloß sehr viele Texte schreiben müsse, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass irgendwann einmal ein gelungener darunter sei. Man kann, darf und soll als Dichter gewiss so viel schreiben, wie man muss oder will, aber keinesfalls ist immer alles, was einer so absondert, ein lesenswerter Text. Das Schreiben ist nötig, das Publizieren ist es nicht.
Ein Tischler, der Hunderte von Tischen tischlerte, von denen nur ein paar nicht wackeln, wäre ein schlechter Tischler und hätte wahrscheinlich seinen Beruf verfehlt. (Oder eine schlechte Ausbildung genossen.) Ein Dichter hingegen hat das Recht, ja die Pflicht, auch schlechte Gedichte zu schreiben ― er braucht sie ja nicht zu veröffentlichen! ―, um durch Versuch, Scheitern, neuen Versuch, besseres Scheitern usw. darauf hinzuarbeiten, auch einmal ein gutes zu schreiben.
Dichtung ist nicht gefühlsseliges Verseschmieden. (Wenn überhaupt noch jemand einen Begriff vom Unterschied von Vers und Zeile hat.) Inspiration, Geistesblitz, Sensibilität sind erlaubt, aber garantieren bei Weitem noch keine gelungene Gestaltung. Dichtung ist Handwerk, das auf jeden Fall, ein Können also, das man hat oder nicht hat, warum auch immer, aber dichterische Handwerkskunst muss, wenn nicht gedrechselter, gehäkelter, hingerotzter Kitsch und vorgefertigter Müll entstehen soll, immer aufs Neue erarbeitet werden. (Gewiss darf ein Schreibender sich Kunstgriffe beibringen. Mit immer denselben Methoden zu werkeln, wäre jedoch höchst unschicklicher Manierismus. Der Übergang zum Marinierten ist dann oft allzu leicht.) Das Material, das ein Dichter bei diesen seinen Selbstversuchen vergeudet, ist die unerschöpfliche, ewig nachwachsende Sprache, sein Handwerkszeug ist er selbst, und wenn er sich abnützt, dann ist das eben so. Gedichte müssen sein, Dichter aber sind sowieso hinfällig und sterblich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen