Montag, 27. Mai 2024

Zum 140. Geburtstag von Max Brod

Viele haben viel Schlechtes über Max Brod, den Romancier und Lyriker, den Essayisten, Literaturhistoriker und Biographen, den umtriebigen Publizisten, Librettisten und Literaturimpresario und nicht zuletzt den Kafka-Herausgeber und Kafka-Deuter gesagt und geschrieben. Ich habe nicht vor, hier irgendeinem der herabsetzenden Urteile zu widersprechen, erstens, weil ich es nicht besser weiß, und zweitens, weil es mir egal ist. Mir ist etwas ganz anderes viel wichtiger.
Max Brod verdankt die Menschheit das Werk Franz Kafkas. Punkt. Diese unbestreitbare Tatsache allein verpflichtet alle, die Kafkas Texte schätzen (und vielleicht mehr als das: sie lieben, von ihnen besessen sind, ohne sie nicht existieren möchten usw.) zu ewigem Dank. Nochmals: Punkt.
Brod war bekanntlich von Kafka damit beauftragt worden, nach dessen Tod den gesamten schriftlichen Nachlass zu vernichten. Brod tat, wie ebenfalls jeder weiß, geradewegs das Gegenteil: Er sammelte alles, was von dem, was Kafka je geschrieben und gezeichnet hatte, noch aufzutreiben war. Und er begann nach und nach, vieles davon zu veröffentlichen.
Ob Brod anders hätte handeln sollen oder gar müssen, also Kafkas Texte verbrennen, diese Frage kann doch nicht im Ernst gestellt werden! Wer, der noch alle Tassen im Schrank hat, könnte sagen: Na, dann hätten wir eben weder die Texte von Herrn Kafka, noch die Bibliotheken füllende Literatur über sie. Absurd. Nein, Brod musste sich übers Kafkas manifesten Wunsch hinwegsetzen und er tat es. Damit hat er sich ein Stück Unsterblichkeit verdient. Ohne Brod kein Kafka. Und ohne Kafka wäre die Literaturgeschichte, nicht nur die der Literatur in deutscher Sprache, eine ganz andere. Mir persönlich ist gar nicht vorstellbar, was für eine.
Max Brod hat der Welt einen Kafka gegeben, den es sonst schlechterdings nicht gegeben hätte. Gewiss kann man seine Auswahlen, Zusammenstellungen, Eingriffe kritisieren und sogar verwerfen. Aber alle späteren kritischen Ausgaben, die so viel genauer, umfangreicher, differenzierter, vielschichtiger und korrekter sind, haben zwar philologische Vorteile, aber den Schriftsteller Franz Kafka, der zweifellos zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts gehört, haben sie weder hervorgebracht noch sein Bild relevant verändern können. Den Schriftsteller Kafka, dessen Namen Millionen kennen und dessen Texte zum kulturellen Erbe der Menschheit gehören und dazu gehören werden, solange Menschen noch Bücher lesen, dieser Kafka also verdankt sich einzig und allein Max Brod.
Umgekehrt: Ohne Brod wäre Kafka, der zu Lebzeiten fast nichts veröffentlichte (und wenn, dann dank Brod) bestenfalls eine Fußnote in irgendeinem vergriffenen Schmöker über deutschsprachige Prager Literatur zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wenn überhaupt.
Max Brod hätte es also verdienst, dass man ihm überall auf der Welt, wo man Kafkas Werke schätzt, aus Dankbarkeit Denkmäler errichtet. Oder zumindest ehrend gedenkt. Als dem Mann, der Kafkas Texte vor Kafka, dem neurotischen Selbstverhinderer, gerettet hat. Darum:
Danke, Max Brod!

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