Sonntag, 24. Oktober 2021

Fragment über Faschismus

Faschistoide Züge an der Coronagläubigkeit fielen mir zum ersten Mal auf, als in der medialisierten Öffentlichkeit eine Art von Kampagne rund um das hashtag „staythefuckhome“ stattfand, getrieben auch und gerade von sich bis dahin (und darüber hinaus) aufgeklärt, liberale, ja links gebenden Zeitgenossen. Wäre es nur darum gegangen, einen Vorschlag zu Ansteckungsvermeidung zu propagieren, wäre das auch als „Bitte zu Hause bleiben!“ möglich gewesen. Aber das „the fuck“ im „stay home“ verriet eine (zumindest mich) überraschende Aggressivität und Arroganz. Der Empfänger einer solchen Botschaft wird nicht als gleichberechtigter Mitbürger angesprochen, dem man etwas rät oder den man zu etwas auffordert, sondern er wird aus einer Position überlegener Zugehörigkeit (zum Kreis der Informierten, der es besser Wissenden) als armer Tropf angeblafft, der zu blöd ist, von selbst zu wissen, wie er sich richtig zu verhalten hat. Nach dem Motto: Wer anders denkt als wir, braucht nicht überzeugt zu werden, sondern muss eingeschüchtert und attackiert werden, bis er spurt. Jenes hashtag war unverschlüsselte verbale Gewalt im Dienste der Autorität.
Als das Entscheidende am Faschismus war mir immer die Entfesselung der Ressentiments, die lustvolle Aufgabe moralischer Hemmungen erschienen. Endlich hassen dürfen und den Hass tätig werden zu lassen. Das hatten sich die Faschisten selbstverständlich bei der Arbeiterbewegung, insbesondere den Bolschewisten abgeschaut. Nicht nur das Marschieren, das Fahnenschwingen und die Militanz wurden von dort in kleinbürgerliche Zusammenhänge übersetzt, sondern auch die Bereitschaft zum Hass. Waren die „Linken“ aber noch darauf konzentriert, nach „oben“ zu hassen (und lateral: andere Linke, die anders dachten, redeten oder handelten), vermochten die „Rechten“ die Kraft des Ressentiments und die Lust der Aggression in fast beliebige Richtung zu kanalisieren: Ein diffuses Wir gegen ein noch diffuseres Die.
Ein ähnliches Angebot machen auch die rechten und linken Populismen ihren Anhängern und Wählern: Du darfst verachten, ja hassen, was dich in Frage stellt, wovor du dich fürchtest, was du nicht gewohnt bist, was schwächer ist als du oder gebildeter, erfolgreicher, wohlhabender. Zwar fordert das autoritäre Weltbild die Unterordnung der Vielen unter die Führung der Wenigen, aber da es jedem frei steht, sich als potenziell selbst der Elite zugehörig zu imaginieren, als Teil einer „Bewegung“, die auf der richtigen Seite der Geschichte steht, ist man sogar als Untergeordneter noch ein Herrenmensch. Auch wird sich fast immer einer finden, der in der sozialen Hierarchie noch weiter unten steht und über den man somit triumphieren kann.
Wichtig ist gerade darum auch die An- und Ausgrenzung anderer als Gruppe. Wer nicht mitmacht, wobei alle mitmachen, und schon darum im Unrecht ist, ist kein Einzelner, der vielleicht seine Gründe hat, sondern ein Fall von …, von diesen Leuten also, bei denen man die Ursachen ihrer Abweichung und Verwirrung längst kennt und sie durchschaut und verworfen hat. Wer dem hegemoniale Narrativ der Corona-Pandemie skeptisch gegenübersteht, ja ihm sogar widerspricht ist ein „Coronaleugner“ (ein nach dem Vorbild von „Holocaustleugner“ gebildeter Ausdruck), ein „Verschwörungstheoretiker“, ein Rechter, also ein Nazi und Antisemit. Besonders in den Nachfolgestaaten des Dritten Reiches, BRD und Österreich, gibt es ja nicht Schlimmeres, als ein Antisemit zu sein. Mit dem Antisemitismus-Vorwurf lässt sich schon seit Jahrzehnten auf bewährte Weise jede „falsche“ Frage oder gar Kritik beim Thema „Nahostkonflikt“ rhetorisch niederprügeln …
Das soll irgendwie „antifaschistisch“ wirken, ist aber selbstverständlich genau das Gegenteil. Der Trick ist, Kritik zu marginalisieren und dann zu sagen: Seht ihr, die Kritik kommt ja vom Rand! Und weil große Teile der selbsternannten „Linken“ durch und durch autoritär und etatistisch sind (eine Folge ihrer marxianischen Verseuchung), fällt die Idee der Verhängung von Ausnahmezuständen und die Ausgrenzung von Minderheiten bei ihnen auf fruchtbaren Boden. Endlich mal wieder (nach dem Untergang der pseudosozialistischen Unrechtsstaaten) auf Seiten der Staatsmacht stehen und Bevölkerungen terrorisieren. Kontrafaktische Argumentation und schamlose Lügenpropaganda sind für marxianisch inspirierte „Linke“ ja nichts Neues. Aufklärende Kritik ist also aus der „linken Ecke“ also kaum noch zu erwarten; bleibt die „rechte Ecke“ ― der man dann unverschämterweise alle zuordnet, die man zur Strafe in eine Ecke stellen will. Nicht, dass es keine Rechtskonservativen und Nazis gäbe, aber man ist nicht „rechts“, nur weil „linke“ und eine korrupte Medienmaschinerie es so darstellen. In dem Moment, wo so viele „Linke“ mit wehende Fahnen zum kapitalistischen Staat und seiner repressiven Politik übergelaufen sind, hat sich der politische Unterschied von links und rechts womöglich erübrigt. Faschismus und Bolschewismus waren immer Zwillinge, heute verschmelzen sie mit dem liberal-sozialen Bevormundungsstaat zu einer erstaunlichen Querfront, die nur noch „Abseitige“ und „Außenseiter“ zu Gegnern hat. Und die Realität natürlich. Aber wen interessiert die schon?

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