Sonntag, 24. Oktober 2021

Literatürliches (5)

Nur fünf Prozent der Schreibenden können vom Schreiben leben, lese ich irgendwo. Bemerkenswert daran finde ich, dass also 95 Prozent trotzdem schreiben. Ob sie mehr oder Besseres schrieben, wenn sie davon leben könnten? Schreibt denn, wer davon leben kann, besser als einer, der das nicht kann? Kommt, wer vom Schreiben lebt, vor lauter Anstrengung, das zu schaffen, überhaupt noch zum Schreiben? Schriebe er, wenn er nicht davon leben müsste, nicht gelassener? Man weiß es nicht. Was aber gewiss ist, wenn die genannten Zahlen auch nur halbwegs stimmen: Dass das Schreiben keine kommerzielle Tätigkeit ist. Man schreibt, weil man will (oder zu müssen meint). Man schreibt, damit etwas geschrieben ist. Das Geschriebene ist seinem Wesen nach keine Ware, auch wenn es durchaus dazu gemacht werden kann. Es ist ein Geschenk, dass ein Schreibender sich und anderen macht. Das Warenförmige ist lediglich ein Effekt, den die Einspeisung ins Wirtschaftssystem hervorbringt, nichts was zur Tätigkeit und ihrem Ergebnis notwendig dazugehört. Nun ist nichts dagegen zu sagen, dass in einer Welt, in der fast alles Geld kostet, dieses auch mit Geschriebenem verdient wird. Man muss sich ja das Schreiben erst einmal leisten können. Wer Zeit aufs Schreiben verwendet, von dem er nicht leben kann, dem fehlt diese Zeit, um in ihr etwas zu machen, was er verkaufen kann. Er schreibt dann nur, weil er will (oder zu müssen meint) und hat erstaunlicherweise auch Gelegenheit und passende Bedingungen dazu. Soll man das Freiheit nennen? Und das Schreibenmüssen, um davon leben zu können, Unfreiheit?

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