Sonntag, 18. April 2021

Notiz zu Schreiben und Tippen

Es fing damit an, dass sie aufhörten zu schreiben, um nur noch tippten. Den Unterschied begriffen sie nicht, und wenn doch, dann als Fortschritt oder einfach als Zug der Zeit. Was sollte man machen, es galt immerhin, Geräte zu bedienen. So war es ja auch einfacher und schneller. Wer irgendwo stand, ging, saß und dabei tippte, fiel nicht auf; wer irgendwo saß und schrieb, war schon ungewöhnlich.
Auch und vielleicht gerade die, als deren Beruf das Schreiben galt, nicht bloß das Zusammenstellen von Texten aus Versatzstücken, das Texten zwecks gewerblicher oder behördlicher Informationsweitergabe, sondern das schöne Schreiben, das Schreiben um der Wahrheit willen ― auch die Akademiker und Belletristen also tippten nur noch. Viele verstanden schon nicht mehr, worum es ging, hielten das für austauschbar, für unterschiedslos, mit freilich einem deutlichen Vorteil an Zweckmäßigkeit beim Gebrauch der Tastatur an Stelle eines Griffels. Textbearbeitung, früher ein Vorgang des Schreibens und Überschreibens und Neuschreibens, erwies sich als so viel einfacher mit Klick und Klack, mit einem Zug der Maus, mit dem Speichern von Versionen.
Reaktionär, sentimental, selbststilisierend muss demgegenüber vorkommen, wer am Gebrauch der Handschrift festhielt oder ihn neu zu entdecken vorgab. Ein Luxus für wenige (obwohl doch alle ihn einmal erlernt hatten). Der Handel kam dem immer weiter entgegen, und je armseliger und schulkindlicher das Angebot an einfachem Schreibgerät, Heften, Blöcken und so weiter wurde, desto aufwendiger und womöglich teurer wurden Notizbücher, Briefpapiere und Kolbenfüller.

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