Samstag, 5. April 2025

Notiz zur Zeit (245)

„Es wird eine harte Zeit für uns alle werden“, verkündet der Präsident der Industriellen-Vereinigung, Österreichs mächtigster Lobbyismus-Truppe. Mit „uns alle“ meint er naturgemäß nicht sich und Seinesgleichen, denn er darf mit Recht erwarten, dass die neue Bundesregierung tut, was ihres Amtes ist und was alle Regierungen vor ihr taten: Die Reichen reicher werden lassen. Sondern er meint die Masse der Bevölkerung, die mehr zahlen und weniger dafür bekommen soll. Das nennt man: dringend notwendige Reformen.
Es gilt ja der Grundsatz, dass, wenn die geplanten Staatsausgaben die vorgesehenen Staatseinnahmen in bestimmtem Maße übersteigen, „gespart“ werden muss, was in korrekter Sprache heißt: gekürzt, gestrichen, eingestampft. (Den sparen kann man nur, was man hat. Weniger Schulden zu machen, ist keine Ersparnis. Sonst wäre ich Phantastilliardär, weil ich keine Phantastilliarde Schulden habe. Zumindest noch nicht.)
Und dieses mythische „Sparen“ betrifft, wie könnte es anders sein, die, die wenig haben, und nicht die, die viel und zu viel haben. Pensionisten, Lohnarbeitende, Transferleistungsempfänger. Das bringt zwar finanziell wenig, ist aber psychologisch wichtig: Die Leute sollen merken, dass der Kapitalismus kein Zuckerschlecken ist, was gestern noch berechtigter Anspruch war, kann morgen schon Sozialschmarotzertum sein, ein unverständliches Almosen, dass „wir“ uns einfach nicht mehr leisten können.
Die „Leistungsträger“ hingegen, will sagen die eigentlichen Sozialparasiten, deren Leistung darin besteht, für ihr Vermögen nichts (Erbe) oder nichts Gutes (Ausbeutung, Steuervermeidung, Monopolbildung, Korruption usw.) getan zu haben, sind hingegen unantastbar. Die muss man subventionieren und mit Steuererleichterungen beschenken. Wer ― legal, illegal, scheißegal) ― hat, weil er an sich gerissen hat, dem gegeben, und das nicht zu knapp.
Mit anderen Worten: Frühling für IV und andere verbrecherische Vereinigungen, harte Zeiten für „die kleinen Leute“, die „Anständigen und Fleißigen“. Da fragt man sich schon: Wer hat das Gesindel, das da schon wieder regieren wird, eigentlich gewählt? Warum sind die Leute so blöd?

Freitag, 4. April 2025

Zeitvertreib statt Lebenssinn

Wenn die Leute (die meisten schon im Ruhestand) im Tefau nach ihren Hobbys befragt werden, bin ich von den Antworten oft unangenehm überrascht. „Ich fahre gerne Fahrrad.“ Ein Fahrrad ist ein Fortbewegungsmittel. Sich fortzubewegen ist für sich genommen noch keine Freizeitbeschäftigung. Dasselbe gilt für als Hobby angeführte Automobile, Motorräder und dergleichen. Selbst wenn daran geschraubt werden muss. „Wir verreisen gern.“ Mag sein, aber doch nicht jede Woche. Ortswechsel sind kein Hobby. „Mein Hund.“ Ein Haustier ist ein Lebewesen und kein Steckenpferd. „Meine Enkel.“ Um Gottes willen! „Mein Mann.“ Geht’s noch? Was für asoziales Gesocks ist das denn, das Sozialbeziehungen, mögen sie Geschenk oder Last sein, als Freizeitgestaltung betrachtet. So wie vorher in „Beruf und Familie“, oder wie? Wo Ehemann (oder Ehefrau) und Kinder Teil der Doppelbelastung waren, das familiäre Zusammenleben also nicht Sinn und Zweck des Gelderwerbs (neben der Selbsterhaltung), sondern vorübergehendes Beiwerk.
Gewiss gibt es auch Leute, die Volkstanz machen, Kreuzworträtsel lösen, Sonnenuntergänge oder Gänseblümchen photgraphieren, Angeln oder Stricken. Aber selbst all das ist doch bloß Zeitvertreib. Das kann doch kein erfülltes Leben sein. Das dient doch offensichtlich im Gegenteil dazu, die Frage danach, was eine sinnvolle Lebensführung sein könnte, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Die Leute verschwenden ihr Leben, das einzige, das sie haben, mit oft sinnloser Erwerbsarbeit und völlig sinnbefreiten und noch nicht einmal halbwegs aufregenden Tätigkeiten, die im Grunde nur Vertrödeln und Verblöden sind. Wie bescheuert ist das denn!
Ich verstehe das wirklich nicht. Warum gibt es diese Leute? Interessiert sie das nicht? Sind sie so von ihren Gewohnheiten und der allgemeinen Gewöhnlichkeit zugedröhnt, dass das Ungeheure ― „Ich habe nur dieses eine Leben, daraus muss ich etwas machen!“ bei ihnen nicht aufkommt? Ist ihre Existenz für sie ein Zufall, der irgendwann vorüber ist, nichts, was Gründe, Ursache, Zwecke, Ziele hat, nichts für dessen Gestaltung oder Vergeudung man sich rechtfertigen müsste? Und wäre es nur vor sich selbst … Ich finde das unanständig.

Donnerstag, 3. April 2025

Notiz zut Zeit (244)

„Wir müssen sparen. Irgendwo muss das Geld ja herkommen.“ Ach, es ist kein Geld da? Wo ist es denn hingegangen, das Geld? Doch wohl am meisten zu denen, die sich hemmungslos am gemeinsam Erwirtschafteten bedienen dürfen. Also den Reichen und Superreichen. Das Geld ist nämlich sehr wohl da, es ist nur in den falschen Händen. Von dort muss man es wieder holen. 
Langfristig geht es aber nicht um Umverteilung. Die ist Herumdoktern an Symptomen. Es geht vernünftigerweise um Ursachenbekämpfung. also eine Änderung der Struktur des Eigentums an den Produktionsmitteln. Mit anderen Worten: Sozialismus. (Und das global.)

Die vier Phasen des Erwischtwordenseins

1. Es ist nichts passiert.
2. Ich war das nicht.
3. Was passiert ist, ist nicht wichtig.
4. Andere sind viel schlimmer.

Mittwoch, 2. April 2025

Friedensdemonstrierer

Die da von Frieden reden und ihn ohne Waffen schaffen wollen, befinden sich in der privilegierten Situation, dass sie nicht bombardiert werden, dass ihre Angehörigen nicht getötet, verstümmelt, gefoltert, verschleppt, vertrieben wurden, dass der Krieg, der auch gegen sie (und übrigens auch gegen ihr gutes Recht auf freie Meinungsäußerung) geführt wird, derzeit von den Ukrainerinnen und Ukrainern ausgehalten werden muss. Sie tun so, als ginge der konkrete Krieg sie nichts an, für sie existiert er nur als abstraktes Problem. Dieses Abstraktum macht ihnen Angst. Es fordert sie moralisch-ideologisch heraus. Sie wissen sich ihm aber überlegen und bekämpfen es mit ihren bewährten Parolen. Der wirkliche Krieg, der jetzt gerade stattfindet, interessiert sie allenfalls als Anlass, das zu wiederholen, was sie seit langem sagen. Die wirklichen Opfer sind ihnen ziemlich egal. Den Gedanken, wirksame Hilfe zu leisten, was ja vernünftigerweise auch Waffenhilfe bedeuten müsste, weisen sie von sich. Ihr Anliegen ist größer als die empirische Realität. Ihre Betroffenheit ist selbstgewählt und darum nicht so zufällig wie bei den Bedrohten, Bombardierten, Getöteten und denen, die ihr Hab und Gut verloren haben. Deshalb wissen sie besser Bescheid als diese. Ihr Urteil ist nicht von der Parteilichkeit der Leidenden verzerrt. Sie folgen unbeirrt ihren Überzeugungen. Was sie sagen, ist immer richtig, solange es nicht mit Tatsachen verglichen wird. Nicht nur ihre Vorstellungen von Krieg sind abstrakt, auch was sie mit Frieden meinen, ist nichts Konkretes. Die Waffen nieder, das ist ein guter Slogan. Aber anscheinend ist er mit der Duldung von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung vereinbar. Gesellschaftliche Bedingungen, wirtschaftliche Interessen, politische Voraussetzungen interessieren sie nicht. Sie haben keine konkreten, realitätsbezogenen, praktikablen Vorschläge zu machen. Sie haben Angst und sind im Recht, sie verfügen über moralische Grundsätze und ein reines, weil zur Selbstkritik unfähiges Gewissen. Mehr brauchen sie nicht. Dafür gehen sie auf die Straße. Dass sie damit der falschen Seite nützen und der richtigen schaden, ficht sie nicht an. Nicht alle werden von Russland bezahlt. Viele handeln auch bloß aus Dummheit so.