Montag, 30. August 2021

Einmal mehr über Willensfreiheit

A: Es gibt keinen freien Willen. Was wir wollen, ist durch Naturgesetze festgelegt.
B: So, so. Aber warum erzählen Sie mir das? Wollen Sie mich überzeugen? Was soll das bringen, da ich doch, wenn Sie Recht haben, ohnehin nicht frei bin, meine Überzeugung gemäß diesem oder jenem Argument zu gewinnen, sondern davon überzeugt sein muss, wovon die Naturgesetze mich überzeugt sein lassen wollen.
A: Und ich versuche, Sie zu überzeugen, weil ich das wollen muss!
B: Sehen Sie wenigstens, wie absurd das ist?
A: Nein, wieso?
B: Wenn Sie Recht haben, ist es sinnlos und überflüssig, einander überzeugen zu wollen, weil nichts, was man sagt, etwas bewirken kann, da jeder seine Überzeugungen hat und behält oder ändert, wie er muss. Genau genommen gibt es dann kein „einander überzeugen“ mehr, der Ausdruck ist völlig inhaltsleer. Dann aber ebenso „sich überzeugt haben“ und „von etwas überzeugt sein“. Überzeugungen sind dann nur noch von den Naturgesetzen bedingte, von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Argumentation völlig unabhängige Zwangsvorstellungen. Jeder Meinungsaustausch, jedes Für und Wider erübrigt sich. Mag sein, dass eine Überzeugung mit einem Sachverhalt übereinstimmt, vielleicht tut sie es auch nicht. Vom Ergebnis jeder Überprüfung wäre man ja wieder überzeugt, nicht weil es stimmt, sondern weil man davon überzeugt sein muss. Also hat es dann übrigens auch keine Bedeutung mehr, ob Sie in Sachen Willensfreiheit Recht haben oder nicht. Es gibt im Grunde kein Rechthaben mehr, weil zwischen Rechthaben und Unrechthaben kein feststellbarer Unterschied besteht. Mit anderen Worten, wenn Sie mit Ihrer Annahme eines unfreien Willens Recht haben, haben Sie jede Möglichkeit aufgegeben, Recht zu haben.

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