Montag, 2. Mai 2011

Di fronte alla morte di un uomo

Mord ist Mord, man mag es nennen, wie man will. Ein Regierungschef ordnet die Tötung eines Menschen an, ohne dass dieser von einem Gericht zum Tode verurteilt worden wäre. Man mag das als „Militäroperation“ etikettieren, ein Mord ist es trotzdem. Der Ermordete mag der schlimmste Verbrecher aller Zeiten gewesen sein, nach rechtsstaatlichen Grundsätzen hätte er verhaftet und angeklagt werden müssen, hätte er die Möglichkeit bekommen müssen, sich zu verteidigen, hätte am Ende eines nachvollziehbaren Verfahrens über seine Taten ein begründetes Urteil gesprochen werden müssen.
Dass die USA im Grunde kein Rechtsstaat sind, haben sie schon oft bewiesen. Gezielte Tötungen sind freilich auch bei anderen Unrechtsstaaten (wie Israel) üblich. Selbstverständlich redet man sich dabei damit heraus, man sei eben im Krieg: Die oder wir. Mit dieser Herrenmenschenlogik bestätigt man jedoch bemerkenswerterweise die Argumentation der Gegenseite, und es stellt sich (wie unter raufenden Kindern) nur noch die Frage, wer angefangen hat. Wer war also zuerst böse, der Imperialismus oder al-Quaida, der Staat Israel oder die Hamas?
Nun ist das Monster, das man selbst geschaffen hatte, tot. Gewiss, die Effekte des Phänomens waren real, aber noch viel bedeutender war der Reiz des Popanzes, auf den man verweisen konnte. Ich behaupte nicht zu wissen, ob alles, was man „den Terroristen“ zur Last legt, auch wirklich von ihnen und nur von ihnen zu verantworten wäre oder nicht, aber ich bin mir sicher, dass echter oder inszenierter „Terror“ und echte oder vermeintliche „Terrorgefahr“ den herrschenden Kräften sehr zupass kommen.
Der Kampf gegen die, die angeblich alle westlichen Werte hassen, wird gern zur Rechtfertigung dafür angeführt, eben diese „Werte“ mit Füßen zu treten. Doch wie gesagt, selbst der schlimmste Verbrecher aller Zeiten hätte aus ethischer Sicht nicht einfach abgeknallt werden dürfen. Weder liegt eine echte Kriegshandlung vor noch ein Tyrannenmord. Anscheinend konnte man es aber nicht wagen, den Vorverurteilten vor Gericht zu stellen. Das ist nicht nur aus rechtlichen Erwägungen abscheulich, sondern auch aus politischen und historischen Gründen bedauerlich.
Der exzessiv jubelnde Pöbel in den USA und die westlichen Regierungen, die nun die Exekution eines Menschen unisono begrüßen, beweisen einmal mehr die moralische Verkommenheit des Westens, der sich zwar gerne mit Vokabeln wie „Freiheit“ und „Demokratie“ schmückt, tatsächlich aber auch und vor allem für Gewalt und Willkür steht.
Inmitten eines Meeres von Hass wirken die sehr ernsthaften Worte, die der Pressesprecher des Heiligen Stuhles, P. Federico Lombardi SJ, heute gefunden hat, wie eine verlorene Insel der Vernuft: Di fronte alla morte di un uomo, un cristiano non si rallegra mai, ma riflette sulle gravi responsabilità di ognuno davanti a Dio e agli uomini, e spera e si impegna perché ogni evento non sia occasione per una crescita ulteriore dell’odio, ma della pace. (Angesichts des Todes eines Menschen empfindet ein Christ niemals Freude, sondern bedenkt die schwere Verantwortung eines jeden vor Gott und den Menschen und hofft und strebt danach, dass das, was geschieht, nicht zu mehr Hass führen möge, sondern zu mehr Frieden)

2 Kommentare:

  1. Lieber Stefan!

    Ich wollte dir bei dieser Gelegenheit sagen, dass ich deinen Text zu diesem Thema sehr interessant gefunden habe, obwohl ich eine völlig andere Position zu diesem Thema einnehme, aber das weißt du ja natürlich.
    Ganz wie der ehrwürdige Herr Lombardi und auch wie du bin ich der Meinung, dass man sich über den Tod eines Menschen nicht freuen kann, egal was er für ein Verbrecher ist. Aber nimmt man das Zitat nur für sich, dann sagt er auch, dass man zwar keine Freude empfinden kann, aber dass das an sich keine politische Bewertung der Tat selber ist.
    Als ich versucht habe, deine Argumentation nach zu vollziehen, ist mir aufgefallen, dass du dich in dieser Frage in logischen Paradoxien verlierst. Wenn du schreibst, dass die USA "im Grunde kein Rechtsstaat sind", dann ist das paradoxerweise eine Rechtfertigung für die Liquidierung Bin Ladens und keine Kritik daran. Lass mich das genauer erklären:
    Wie so viele andere kritisierst du die Politik der Vereinigten Staaten und die Politik der Staaten überhaupt. Die viel zitierten westlichen Werte werden nur als Vorwand benutzt, aber eigentlich haben sie keine Realität. Das Handeln der USA würde die „Argumentation der Gegenseite“ bestätigen, aber weder sind ihre Werte real, noch hat die „Terrorgefahr“ irgendeine Substanz außer der, dass sie als Propagandamittel benutzt wird. Der „exzessiv jubelnde Pöbel“ scheint nur in den USA seinen dubiosen Ausdruck zu finden, aber gleichzeitig scheinst du implizit zu fordern, dass sich Amerikaner anders verhalten sollten, wie Bürger christlichen Glaubens, ethisch kompetent, aber eigentlich sagst du, dass sie zu solchen Verhaltensweisen gar nicht fähig sind.
    Ich finde es verwirrend, dass du einerseits davon sprichst, dass die „moralische Verkommenheit des Westens, der sich zwar gerne mit Vokabeln wie `Freiheit´ und `Demokratie´ schmückt, tatsächlich aber auch und vor allem für Gewalt und Willkür steht.“, aber im selben Atemzug von eben jener verkommenen westlichen Welt verlangst, sie soll ein ordentliches Gerichtsverfahren durchführen, zu der sie deiner eigenen Argumentation nach (und der vieler anderer linker Stimmen) gar nicht in der Lage ist.
    Wenn die USA (oder Israel) Unrechtsstaaten sind, dann kann man sie auch nicht im Namen einer Ethik, die Rechtsstaatlichkeit fordert, dafür kritisieren, dass sie das nicht sind. Der gesamte linke Politcluster ergeht sich dauernd in moralischem Gejammer, dass jemand oder etwas im Namen eines abstrakten Prinzips anklagbar sei, dem man im selben Augenblick abspricht überhaupt die Bedingungen dieses Prinzips zu erfüllen. Wenn die USA ein Unrechtsstaat sind und die westlichen Werte, die für dich ohnehin nicht existieren und auch keinerlei ethische Substanz beinhalten, eben diese nicht repräsentieren, dann ist ihre Verletzung der rechtsstaatlichen Ethik keine, sondern Teil ihrer inneren Verfasstheit, von der du behauptest, sie ohnehin durchschaut zu haben. So why bother? Mir ist nicht nachvollziehbar, auf welchem realpolitischen Boden eine solche Debatte geführt werden könnte. Hier bekämpfen sich zwei Verbrecher (mit ungleichen Mitteln, aber das kann niemand von uns beeinflussen) und sie schießen ihre Differenzen aus. Muss uns das kümmern?
    Rechtsstaatlichkeit, in der jemand anklagt und jemand verurteilt wird, muss auf einem Konsens basieren. Die USA halten Bin Laden und seine Terroristenkumpane nicht für Subjekte auf rechtsstaatlichem (oder völkerrechtlichem) Terrain, sondern gehen davon aus, dass es hier gar kein Recht gibt. Du sagst genau dasselbe: die USA haben keinen Begriff von Rechtsstaatlichkeit, also warum sollen sie sich an etwas halten, was sie ohnehin durch bloße Existenz suspendiert haben?

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  2. (Fortsetzung)

    Würde man also die ethische Dimension eines politischen Mordes tatsächlich ernst nehmen, dann müsste die Schlussfolgerung lauten: die USA (und Israel, ich halte mich hier an die parenthetische Konvention deines Arguments) sind Rechtsstaaten, die diese Regeln verletzt haben. Die Verletzung dieser Regeln ist überhaupt ein Zeichen dafür, dass sie existieren und dass ihre Substanz keineswegs unscharf ist.
    Man kann die Liquidierung Bin Ladens nur dann als ein Problem sehen, wenn man akzeptiert, dass westliche Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte tatsächlich von genau diesen Staaten verkörpert werden, aber es keinen Souverän gibt, der sie so einfordern kann. Die Tatsache, dass es ihn nicht gibt macht erst den Rechtsstaat aus: Der Rechtsstaat ist die politische Sphäre, die abstrakte Prinzipien einklagbar macht, auf der Grundlage eines Konsenses der Gleichen. Der Souverän, der dies ordnen könnte muss unsichtbar bleiben, damit der Konsens überhaupt zustande kommt. Diesen (Welt)Souverän forderten paradoxerweise Bin Laden und die islamistischen Ideologien indem sie sich Vorkämpfer eines weltweiten Kalifats betrachteten, der genau jenen rechtsstaatlichen Kontext eines Weltsouveräns aus der islamischen Tradition herleitet und vor dem uns die westliche Feuerkraft dauerhaft beschützen möge. Anders gesagt: Man kann die Ermordung Bin Ladens nur dann ernsthaft als Ermordung betrachten, wenn man zu gesteht, dass die US Truppen, die ihn beseitigt haben, auf dem Boden einer territorial begrenzten Ethik auf jene Räume zugreifen, die erst von ihr besetzt werden müssen. Ob wie du schreibst „keine echte Kriegshandlung vorliegt“ (was genau die Anschläge und Massenmordambitionen der islamistischen Verbrecherbanden anderes sind, sollte man mir einmal erklären), dann kann dies nur vor einem Hintergrund debattiert werden, der die Staaten und Bevölkerungen des Westens als legitime Träger eines universalistischen Rechtssystems akzeptiert.
    Nur das glaube ich kann mit den Worten des ehrwürdigen Hern Lombardi gemeint sein, wenn er die „schwere Verantwortung eines jeden vor Gott und den Menschen“ ins Treffen führt.

    Grüße und alles Liebe, Josef

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